Ist doch klar, oder doch nicht?

Dass etwas nicht (für alle anderen) klar ist, nur weil es das für mich ist, zeigt dieses Beispiel, in dem ich davon ausgegangen bin, dass es nichts nachzufragen gibt.

Ich schreibe meinen Webmaster an, der für mich etwas im Hintergrund der Webseite ändern soll. Ich bin schon leicht genervt, weil der Emailversender schon wieder etwas verändert hat und wir es anpassen müssen (hatten wir gerade erst vor Kurzem gemacht) und dass ich das aufgrund seiner Sicherheitseinstellungen nicht selbst ändern kann.
(Wirklich genervt bin ich allerdings davon, dass ich glaube, es sollte anders sein)

Ich bin also schon leicht grummelig, als ich die E-Mail schreibe.

Für mich ist klar: ändere bitte XY in den internen Einstellungen.
Die nötigen Daten, die es einzupflegen gilt, habe ich mitgeschickt.

Dann kommt von ihm eine E-Mail zurück mit der Frage: Auf welcher Webseite soll ich das ändern?
Da er mehrere meiner Webseiten betreut, macht die Frage total Sinn.
Dass für mich klar war, welche gemeint war, hat ihm nicht weitergeholfen. 😉

Also schreibe ich ihm, um welche Webseite es geht.

Jetzt ist aber wirklich alles klar.

Umso überraschter bin ich, als eine E-Mail von ihm zurückkommt, mit der Frage, um was für einen Eintrag es sich handelt.

Und ich denke: (finde den Fehler 😉): Man, das muss er doch wissen! Er ist doch der Webseitenfachmann.

Und übersehe dabei, dass ich ihm nur ein paar Eckdaten und Angaben ohne Kontext geschickt habe.😬🙈

Für mich war klar, worum es geht.
Und auch, dass es für ihn genauso klar sein muss.

War es aber nicht.

Also habe ich ihm noch einmal geantwortet, geschrieben, worum es geht und einen Screenshot mitgeschickt.

… und dann hat er die Aufgabe ratzfatz erledigt.

Dieses Beispiel hat mir wieder bewusst gemacht, wie oft für mich „klar“ ist, was ich meine.

Und davon ausgehe, dass es für alle anderen genauso klar ist.
Dass ich nur davon ausgehe, dass alle das Gleiche meinen, wie ich.
Dass ich nur davon ausgehe, dass ein Wort „klar“ist und alle sich das Gleiche darunter vorstellen.

,,, und wie falsch ich damit liegen kann.

Was wäre, wenn das nie der Fall ist?

Dass meine Vorstellung, dass etwas „klar“ ist, prinzipiell nicht stimmt.
Nicht stimmen kann.
Einfach, weil wir so verschieden sind.
Weil wir selbst viel mehr „Daten“ für unser „klar“ haben, als unser Gegenüber.

Nehmen wir ein anderes Beispiel.

Dich fragt jemand, wie es dir geht und du antwortest: nicht so gut.

Das kann irgendwie alles bedeuten.
Aber du hast viel mehr „Daten“, was du damit meinst.
Du weißt, ob du dich unwohl fühlst, einfach nur schlecht geschlafen hast, ob dir was weh tut, du dir Sorgen machst, du genervt bist, traurig bist, …

Dein Gegenüber hat diese Daten nicht und denkt sich daher aus, was es bedeuten könnte. (Das muss nicht mal bewusst passieren, aber unser Kopf sucht immer Antworten und gibt erst Ruhe, wenn er eine gefunden hat. Daher werden oft auch wirre Schlussfolgerungen gezogen, die nichts mit der Realität zu tun haben)

Hat er selbst gerade Kopfschmerzen, könnte er sich leicht ausmalen, dass dir auch der Kopf brummt und es dir daher nicht so gut geht.

Die Bedeutung von „nicht so gut“ kann meilenweit auseinanderliegen.

Im Gespräch guckt dich dein Gegenüber dann komisch an, weil er das, was du erzählst, nicht nachvollziehen kann.
Es passt nicht zu seiner „es geht ihm nicht gut-Geschichte“, die sich in seiner Welt um Kopfschmerzen dreht.
Dabei meintest du damit, dass du dich fürchterlich mit deinem Partner in den Haaren hattest und es dir daher nicht gut geht.

Bei „es geht mir nicht gut“ können wir uns noch leichter vorstellen, dass sich jeder etwas anderes darunter vorstellt, weil es ja nichts Greifbares und Klares ist.
Das kann alles bedeuten.

Aber bei anderen Dingen ist es klar.

Wirklich?

Was bedeutet zum Beispiel windig?
Ja, es gibt eine meteorologische Erklärung, bei welchen Windgeschwindigkeiten man von Wind, Sturm, Orkan usw. spricht, aber kennen wir die?
Und können wir das selbst messen? Und selbst wenn - empfindet das nicht trotzdem jeder individuell?
Was für den einen windig ist, empfindet der nächste schon als mittelprächtigen Sturm.

Was bedeutet gesund?
Was bedeutet es für dich?
Nimm dir doch einen Moment und reflektiere.
Was verstehst du unter gesund?

Wann vergibst du dir dieses Label?
Wenn du dich wohlfühlst?
Wenn du Schmerzen hast?
Wenn der Arzt nichts findet?
Wenn du eine Erkältung hinter dir hast und „wieder gesund“ bist?
Wenn du Fieber hast?
Wenn dir nichts wehtut?

Gesund hat unzählige Bedeutungen.
Wie jeder andere Begriff auch.

Was wäre, wenn nichts „klar“ ist?

Wenn wir gar nicht wissen können, was jemand anders meint?

Wie wäre es, sich immer wieder daran zu erinnern?

Häufiger nachzufragen: Was meinst du damit?
Oder: Wie meinst du das?

Und offen zu sein, dass es etwas völlig anderes sein kann, als ich mir ausmale.

Ich deute etwas auf mein Weise, du deutetest es auf deine Weise, während jeder von uns denkt: ist doch klar, was gemeint ist - so wie ich es sehe!

Mancher Klient mag sich auch über meine Fragen wundern, weil „klar“ ist, was er oder sie meint und es nichts nachzufragen gibt.
Ja, für ihn ist es klar.
Ich habe (m)eine Vorstellung davon, was es bedeuten könnte.

Da diese Sichtweisen aber ganz schön verschieden sein können, macht es Sinn, nachzufragen.
Auch wenn der Kopf sagt: Das ist doch ne blöde Frage … Das ist doch wirklich klar!

Denn oft habe ich hinterher festgestellt: wie gut, dass ich gefragt habe, denn für mich hat es etwas völlig anderes bedeutet.

Wie viele Streitereien und Missverständnisse es wohl gibt, nur weil jeder glaubt, dass total klar ist, worüber man spricht, bzw. was gemeint ist.

Dabei vergessen wir, dass wir in unserer eigenen Realität leben.
Jeder von uns.
Und dass niemand auf dem ganzen Planeten alles genau so empfindet und sieht, wie wir es tun.

Welche Beispiele sind dir eingefallen, wo „klar“ nicht gleich „klar“ war?
Schreib sie doch in den Kommentar

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