Hochwasser - mein persönliches Trainingslager

Während ich diesen Blogbeitrag schreibe, herrscht Hochwasser in Norddeutschland.

Vorab: wir haben bisher viel Glück gehabt und sind glimpflich davon gekommen

Für mich war es aber bisher ein sehr gutes Trainingslager, um meiner Intuition mehr und mehr zu vertrauen.
Um Dankbarkeit zu spüren.
Und um mich daran zu erinnern, in meiner Mitte zu bleiben, wenn die Gedanken in den Katastrophenmodus gehen wollen.

Ich spule mal zum 23.12. zurück.

Wir gehen ungern in unseren Keller.
Er besteht nur aus einem Raum, in dem man nicht ganz aufrecht stehen kann und den Kopf ein bisschen einziehen muss. Dem alten, gusseisernen Fenster fehlen ein paar kleine Scheiben und dementsprechend wohnen dort viele Krabbeltiere direkt unter der Decke - weshalb man den Kopf noch ein Stückchen mehr einzieht.

Dort lagern nur die Sachen, die wir ganz selten brauchen und anderswo keinen Platz haben, wie z.B. ganz große Salatschüsseln oder Töpfe.

In der Küche stand schon länger eine große Schüssel, die in den Keller gehörte. Da noch nicht klar war, ob wir sie nicht doch in ein paar Tagen brauchen würden, blieb sie dort vorerst stehen.

Am Tag vor Heiligabend hatte ich den Impuls, sie in den Keller zu bringen.
Obwohl es hätte sein können, dass wir sie bald brauchen.

Logisch war es nicht wirklich, aber es war klar: Ich bringe sie jetzt in den Keller.

Also habe ich mich “kellerfertig” gemacht (Mütze und alte Schuhe), die Kellertür geöffnet … und nicht schlecht gestaunt, als ich sah, dass der Keller voller Wasser war.
Auch die letzte Treppenstufe stand unter Wasser.
Töpfe schwammen im Keller umher.
An so viel Wasser im Keller kann ich mich hier nicht erinnern.

Nach dem ersten Schreck spürte ich trotz allem Dankbarkeit.

Dafür, dass mein Mann heute nicht arbeitete und wir gemeinsam schippen konnten.
Dafür, dass im Keller nichts Wichtiges war, wie z.B. unsere Heizung
Dafür, dass wir so selten Wasser im Keller haben.
Für meine Gummistiefel.
Dass ich meiner Intuition gefolgt bin, um diese Schüssel in den Keller zu bringen (die jetzt immer noch in der Küche stand)
Mir kamen ganz viele Dinge in den Kopf, für die ich dankbar war.

Also zog ich Gummistiefel an, schnappte mir Eimer und wir versuchten, Wasser aus dem Keller zu schippen.

Nach 20-30 Eimern merkten wir, dass es eine unendliche Geschichte wird, denn am Wasserstand hatte sich sichtbar nichts geändert.

Dann hatte mein Mann noch die zündende Idee, wo man sich vielleicht noch eine Pumpe ausleihen könnte (am Samstag vor Weihnachten nach 14 Uhr).
Zum Glück konnte unser Klempner uns tatsächlich eine Pumpe mitgeben, obwohl er selbst auch seinen Keller leer pumpen durfte.

Auch wenn unser Kellerfenster nicht dicht ist und Scheiben fehlen, war die Öffnung so klein, dass der (etwas dickere) Schlauch nicht hindurch passte.

Ich hätte „einfach“ eine Fensterscheibe entfernt, aber darauf konnten wir uns nicht einigen.
Also legten wir den Schlauch quer durch die Wohnung und hängten ihn aus dem Badezimmerfenster. 

Ungemütlich? ja
Kalt? geht noch so
Hilfreich? Auf jeden Fall!

Da der Keller - zum Glück! - nicht bis zur Decke unter Wasser stand, lief die Pumpe nicht den ganzen Tag.

Ich stellte mir alle 30-60 Minuten einen Alarm im Handy, um zu gucken: Pumpe an? Pumpe aus?

Abends war der Keller fast leer und ich überlegte, welches Gefäß wir am nächsten Tag nutzen könnten, um den Rest doch noch abpumpen zu können.
 
Meine Varianten waren ein Maurerkübel (der noch geleert werden müsste) oder eine Sandmuschel.
Das wollte ich am nächsten Tag spontan entscheiden.

Darüber hätte ich mir direkt den Kopf zerbrechen können.
In „blinden Aktionismus“ verfallen und im Dunkeln den Kübel leeren oder die Sandmuschel herholen, aber ich habe es „einfach“ gelassen, weil klar war: morgen!

Als ich morgens wieder in den Keller guckte, hatten sich alle Überlegungen vom Vortag erledigt, denn das Wasser stand höher als am Tag zuvor.

Obwohl wir fast alles rausgepumpt hatten.

Zum Glück hatten wir ja die Pumpe, die fleißig gearbeitet hat.

Und wieder diese Dankbarkeit.
Für die Pumpe.
Dafür, dass es „nur“ den Keller betrifft.
Dass mir das Wasser nicht in die Gummistiefel gelaufen ist, obwohl es knapp war.
Für den Augenblick, in dem es gerade mal nicht regnet.
Gedanken an die Bilder der Flut aus dem Ahrtal und den anderen Regionen vor ein paar Jahren und was für ein Pillepalle das bei uns ist.

Ja, wir hatten uns Weihnachten anders vorgestellt.
Aber es war auch kein Drama.

Es war wirklich ein super Training für meine Intuition, denn auch wenn mein Handy mir anzeigte, dass ich erst in 13 Minuten wieder gucken müsste, bin ich dem Impuls „hingucken“ gefolgt, wenn er da war.

Und damit lag ich meist richtig, weil die Pumpe entweder schon Luft ansaugte und vorerst abgeschaltet werden konnte oder das Wasser schneller als erwartet stieg und sie angestellt werden konnte.

Der Alarm im Handy war gut, aber die Intuition eindeutig besser. 😉

Wir waren relativ gelassen.
… bis es dann im Badezimmer laut wurde.

Beim Betätigen der Toilettenspülung gurgelte es gewaltig in Dusche und Wanne.
Nicht gut.
Das Wasser lief schlecht ab.
Und ich merkte, wie die Gelassenheit mit dem Gurgeln verschwand und leichte Panik aufkam.
Was, wenn es einen Rückstau beim Abwasser gibt?
Wir müssen die Waschmaschine anstellen - geht das überhaupt?

Es fühlte sich schon „anstrengend“ an, ruhig zu bleiben.
Nicht in den Panikmodus zu gehen.
Runterzukommen.

Aber mir war auch klar, dass es „nötig“ ist.

Es wäre so viel leichter gewesen, mit den Katastrophengedanken mitzugehen.
Zu wissen, was diese Geräusche bedeuten.
Das Badezimmer vor dem inneren Auge schon voll mit Schlamm und Fäkalien zu sehen.

Hilfreich wäre es nicht gewesen.

Also: runterkommen.
Durchatmen.
Gucken: was ist jetzt wirklich da?

Noch ist nichts Dramatisches passiert.
Auch wenn sich die Vorzeichen nicht gut anhören.

Was ist zu tun?
Mir war klar:
Wir müssen das Wasser woanders hinpumpen. Das muss noch weiter von der Kläranlage weg, als jetzt schon.

Wir sind hier nicht an das Abwassersystem angeschlossen und jedes Haus hat seine eigene Kleinkläranlage.
Wir haben reingeschaut und festgestellt: Unsere war durch das Hochwasser ziemlich voll.
Auch wenn eigentlich kein Wasser reindrücken soll - der Grundwasserspiegel in dieser Gegend war durch den vielen Regen so hoch … da kann auch sowas passieren.

Und dass unser Kellerwasser noch dazu kam - wenn auch etliche Meter weit weg - machte es nicht besser.

Um dem Schlauch eine andere Richtung geben zu können, musste er durchs (zu kleine) Kellerfenster.
Das bedeutete: Scheibe raus.

In das alte, gusseiserne Fenster sind die Scheiben noch mit Kitt eingesetzt. Also bin ich durch den Keller gestapft, in der Hoffnung, dass mir das Wasser nicht von oben in die Gummistiefel schwappt und habe versucht, den alten Kitt von einer Scheibe zu entfernen, damit ich sie rausnehmen kann.

In der Theorie war das leichter. In der Praxis war der Kitt sehr widerspenstig und wollte nicht raus. Irgendwann hatte ich das Gefühl: Es muss reichen.
Mir war es allerdings auch egal, ob die Scheibe kaputtgehen würde. Sie musste einfach raus.
Mit einiger Mühe habe ich sie dann auch von draußen in den Keller drücken können - und sie ist sogar heile geblieben, wie sich später herausstellte.
Dann passte der dickere Schlauch endlich durchs Kellerfenster und das Wasser konnte in eine andere Richtung geleitet werden.

Ich erinnerte mich, dass mir mein Gefühl gleich gesagt hatte: Schreibe raus.
Trau deiner Intuition!

Es hat tagsüber nicht mehr (viel) geregnet und das Gurgeln im Bad hat aufgehört.
Momentan läuft alles gut ab.

Erleichterung.
Und Dankbarkeit.
Dafür, dass es nicht mehr so viel geregnet hat.
Dass wir den Schlauch umgelegt haben
Dass alles ganz normal abläuft.
Dass wir einfach eine Scheibe aus dem Fenster entfernt haben.
Dass die Scheibe dabei heile geblieben ist

Die Intuition hat mir auch gezeigt, was ich wem erzählen kann.

Oder anders ausgedrückt:
Wem ich besser möglichst wenig erzähle.

Wenn jemand in Katastrophengedanken unterwegs ist, dann darf ich mich „anstrengen“, mich nicht mitreißen zu lassen.
 
Es braucht dann ganz viel Bewusstsein, in meiner Mitte zu bleiben und nicht auch in diesen Katastrophenmodus zu fallen.

Wenn ich also weiß, dass jemand generell vieles „ganz, ganz schlimm“ findet, dann erzähle ich der Person von mir aus nichts und auf Nachfrage nur wenig.
Zusätzliches Drama nützt niemandem.
Und ich möchte es mir nicht schwieriger machen als nötig.

Auch Intuition:
Im letzten Jahr haben wir unsere Kellertreppe erneuert. Das machte eigentlich wenig Sinn, weil wir sie so selten benutzen. Aber es war klar: reparieren!

Man musste immer genau aufpassen, auf welche Stufe man steigen darf und welche wegbricht. Sie war sicher schon seit 15 oder 20 Jahren eine Stolperfalle. Jetzt kann man einfach rauf- und runtergehen.
Sehr praktisch, wenn man sie täglich mehrfach benutzt - ob mit oder ohne volle Wassereimer in der Hand.

2 Wochen vorgespult:

Es steht immer noch Wasser im Keller und wir pumpen mehrmals täglich.
Zwischendrin hat die Kläranlage wieder protestiert und wir haben uns gut überlegt, ob wir wirklich auf die Toilette müssen.
Geduscht wurde in Rekordzeit und auch Waschmaschine und Spülmaschine liefen selten.

Zur Abwechslung kam dann  noch starker Frost dazu, sodass wir die Pumpe aus dem Wasser nehmen (auch wenn es im Keller wohl noch nicht friert), den Schlauch nachts reinholen und tagsüber wieder rausbringen.

Heute früh stand zum ersten Mal morgens kaum mehr Wasser im Keller als am Abend zuvor. 🥳 Jippie.
Die Kläranlage bzw. der Abfluss gurgelt momentan auch nicht.

Es fühlt sich an, als ginge das Wasser jetzt auch bei uns langsam zurück.

Übrigens ... in dieser Podcastfolge greifen Alexandra Rosit-Hering und ich das Thema (unter anderem) auch auf.
Hör gerne in "was man draus macht" rein.

Meine Learnings - nicht neu, aber ich habe es noch tiefer gesehen:

  • traue deiner Intuition
  • Intuition ist nicht immer logisch, aber klar
  • triff die bewusste Entscheidung: was teile ich wem mit?
  • Dankbarkeit hängt nicht von den äußeren Umständen ab. Es ist ein „state of being“.
  • Den Sinn von etwas erkennt man oft erst im Rückblick, teils Jahre später
  • „Bei mir zu bleiben“ hat oberste Priorität

Und das gilt nicht nur für Hochwasser, sondern für alle Lebensbereiche.

Ich lade dich ein, zu reflektieren:
Was wäre, wenn all diese Learnings auch für das Thema Gesundheit zutreffen?

Was hast du für dich mitgenommen?
Schreib es mir doch in den Kommentar.

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