Zusammenhänge suchen – eine Gewohnheit, die dir dein Leben erschwert

Wir sind es alle gewohnt, nach Zusammenhängen und Erklärungen zu suchen.

Unser Verstand gibt sich nicht mit einem Gefühl oder Gedanken oder einer Körperempfindung zufrieden.
Er braucht eine Erklärung oder Begründung dafür.

Das wurde mir in der letzten Zeit sehr bewusst.

Ich bin momentan oft müde, kaputt und ausgelaugt.
Aber das zu bemerken oder festzustellen, reicht meinem Verstand nicht aus. Er hätte gern eine Begründung dafür und macht sich auf die Suche – bis er eine findet, die „logisch“ erscheint und das ist dann „der Grund“.

So wurde aus einem „ich bin müde, kaputt und ausgelaugt“ ein “ich bin müde, kaputt und ausgelaugt, weil ich aufgrund der Kurse so spät ins Bett gehe, Flocke mich viel zu früh weckt und ich zu wenig schlafe.“

Und ohne, dass ich es merke, wird aus dem, was sich der Verstand zusammengereimt hat, eine Tatsache, die gar nicht mehr hinterfragt wird.

Ist ja logisch, dass ich müde und kaputt bin, wenn ich so wenig schlafe und lange am Rechner hocke.
Es wird ein richtiges „Ding“ draus.

Ja, das KÖNNTE eine Erklärung sein.
Vielleicht spielt das aber überhaupt keine Rolle und die Müdigkeit hängt mit dem Wetter zusammen oder etwas, von dem ich null Ahnung habe.
Und das ist ja auch gar nicht wichtig.

Es bringt mich nicht weiter, einen „wahren Grund“ für die Müdigkeit zu kennen.

Ich bin müde.
Punkt.
Mehr muss ich gar nicht wissen – auch wenn mein Verstand anderer Meinung ist.

Dadurch, dass wir uns ständig etwas begründen, erklären und herleiten, erschaffen wir „Fakten“, die überhaupt keine sind und machen uns das Leben damit unnötig schwer.

„Meine Freundin hat mich nicht zurückgerufen“ wird zu „meine Freundin hat mich nicht zurückgerufen, weil 

  • ich ihr nicht wichtig bin
  • ich etwas falsch gemacht habe
  • sie sauer auf mich ist
  • sie die Freundschaft beenden will
  • ...

Da wir im Gefühl unserer Gedanken leben, führt das dann dazu, dass ich sauer auf meine Freundin werde, weil sie die Freundschaft beenden will, ohne mit mir darüber gesprochen zu haben.

Ich spinne diese Geschichte weiter, male sie in den buntesten Farben aus und spüre genau diese Gefühle. 

Wie kann sie das machen? Eine so lange Freundschaft einfach wegschmeißen? Das hätte ich mir ja denken können… damals hat sie auch komisch reagiert… blablabla

Aus ihrer Sicht hatte sie bestimmt einen Grund dafür.
Vielleicht

  • war der Akku vom Telefon leer
  • hat sie noch gar nicht gesehen, dass ich angerufen hatte
  • es gab einen familiären Notfall
  • hatte gerade keine Lust
  • ...

Wenn sie dann zurückruft, kann sie überhaupt nicht verstehen, warum ich so angefressen bin (sie kennt meine ausgedachte Geschichte ja noch nicht) und es kommt vielleicht wirklich zum Streit.

Dabei ist der Fakt, dass sie mich nicht zurückgerufen hat.
Das ist schon alles.

Alles andere ist ausgedacht.

Nimm dir doch einen Augenblick um zu reflektieren, wo du das auch so gemacht hast.

Wo sich dein Verstand Geschichten überlegt hat.
Begründungen oder Erklärungen.
Das ist so, weil…

Bei unserem Gedankenspiel dreht es sich übrigens fast immer um uns.

Um unsere Gefühle.
Um das, was für uns blöd läuft.
Wir beziehen alles auf uns selbst.
Nehmen es persönlich.
Drehen uns gedanklich um uns selbst.

So machen wir das ständig.

Ich trage Größe XXL = ich trage Größe XXL, weil ich zu dick bin, mich zu wenig bewege, gesünder essen sollte und alle Frauen in unserer Familie dick sind.

Ich bin gestresst = Ich bin gestresst, weil wir auf der Arbeit unter solchem Druck stehen, der Chef uns immer auf die Finger guckt, wir viel zu viel Arbeit und viel zu wenig Zeit haben.

Ich habe Kopfschmerzen = Ich habe Kopfschmerzen, weil Wetterumschwung ist, ich etwas gegessen habe, was mir nicht gutgetan hat, ich mir den Kopf über etwas zerbreche,…

Ich bin sauer = Ich bin sauer, weil meine Frau nicht auf meine Wünsche eingeht und einfach macht, was sie will. Jeder in meiner Situation wäre sauer!

Wir zählen eins und eins zusammen.

Zumindest glauben wir das. 

In Wirklichkeit zählen wir aber uns unbekannte Zahlen zusammen (ohne zu merken, dass es gar nicht 1 und 1 sind) und kommen auf das Ergebnis: 2.

Im Englischen sagt man: connecting the dots.

Dazu fielen mir diese Zahlenbilder ein, bei denen man die Zahlen der Reihe nach mit Strichen verbindet, die ein Bild ergeben.

Zahlenbild Oktopus

Wir machen das und sind überzeugt, dass es ein Bild wird.

In Wahrheit verbinden wir die Punkte aber willkürlich miteinander und es wird eher ein Krickelkrackel, denn es gibt kein Bild.

Keine Punkte, die verbunden werden müssen.
Doch das fällt uns nicht auf.
Wir schauen gar nicht mehr hin.
Wir wissen ja, dass es ein Bild wird. Und wir kennen das Motiv. Das haben wir ja ergründet.

In dem Augenblick, in dem wir erkennen, dass es nichts zu verbinden gibt, können wir damit aufhören.

Wir brauchen nicht mehr nach Gründen und „weil‘s“ zu suchen.
Sie sind irrelevant.
Sie sind nur ausgedacht und nicht „die Wahrheit“.

Alles, was ich wissen muss, ist das „was ist“.

Wenn es für mich etwas zu tun gibt, dann werde ich das wissen.
Und tun.
Aus einem inneren Impuls heraus.
Einfach, weil es sich richtig anfühlt.

Auch all unsere Label sind nur ausgedacht

Sowohl die, die wir uns selbst angeklebt haben als auch die, die andere Leute uns aufgedrückt haben.

Ich bin so, weil ich

  • introvertiert
  • extrovertiert
  • krank
  • schüchtern
  • norddeutsch
  • hochsensibel
  • traumatisiert
  • Sternzeichen Waage
  • ohne Vater aufgewachsen
  • ...

bin. 

Was wäre, wenn das gar nicht stimmt?

Wenn auch das nur Schlussfolgerungen sind, die ausgedacht sind?
Eine Begründung, die vielleicht logisch nachvollziehbar, aber deshalb trotzdem nicht wahr ist?

Ich lade dich ein, zu reflektieren, wo du Zusammenhänge „rausgefunden“ hast, die so vielleicht gar nicht existieren.

Offen dafür zu sein, sie einfach infrage zu stellen.
Was wäre, wenn du alle weil‘s und Label weglässt?
Was würde sich jetzt für dich ändern?
Wie viel weniger Stress würdest du empfinden, wenn das Suchen nach Gründen ein Ende hätte?

  • Hallo Michaela,
    das hilft mir gerade sehr. Ich habe mich schon so oft in meinem Gedankenkarussel verirrt. Bis zum nächsten Mal ….
    Schrecklich.
    Danke für Deinen newsletter,

    und ein schönes Wochenende

    Angelika

    • Hallo Angelika,

      schön, dass dir der Beitrag hilft.

      Je klarer uns wird, was wir tun, bzw. wie sinnlos unser Tun ist, desto leichter fällt es uns, die Gewohnheit aufzugeben und das Gedankenkarussell zu verlassen.
      Solange es in dem Augenblick logisch erscheint, machen wir weiter. (und wir finden hinter jeder Gewohnheit eine Logik…)

      Liebe Grüße & dir auch ein schönes Wochenende
      Michaela

  • Liebe Michaela,
    vielen Dank für diese Erinnerung! Wir brauchen nicht
    länger nach den „Weils“ zu suchen und dann das als logisch und unumstößlichen Fakt zu nehmen, was unser Kopf nach dieser automatisierten Suche dann so ausspuckt.
    Das ist auch die wichtigste und tragende Erkenntnis
    aus unserem „Arbeits“-Gespräch.

  • Danke, ich kann es sehen. Genauso funktioniere ich. Was wäre, wenn ich das im Alltag einmal mehr als Unsinn erkenne? Uuii, viel, viel weniger Stress ….. und was wäre dann? …. Spannend Glg

    • Ja, was wäre dann? 😊
      Da du es jetzt durchschaut hast, wirst du es vermutlich auch im Alltag öfter bemerken.
      Halte uns gerne auf dem Laufenden, liebe Regina, wie das so ist.

      Liebe Grüße
      Michaela

  • Liebe Michaela, danke für diesen Blog Beitrag. Ich ertappe mich auch, dass ich immer wieder Begründungen suche. Das habe ich mir regelrecht antrainiert, konditioniert. Zu erforschen was wohl dahinter stecken mag…….Danke fürs erinnern! Liebe Grüße, Gabriele

    • Liebe Gabriele,
      mir fällt auf Anhieb niemand ein, der das nicht macht oder zumindest gemacht hat. Also: Willkommen im Club. 😉
      Aber wenn man erkennt, wie unnötig (und teils unsinnig) das ist, dann muss man es nicht weitermachen. 🙂
      Ich bin gespannt, ob dir jetzt im Alltag Situationen auffallen, in denen sich die Gewohnheit zeigt – du aber nicht mehr wie gewohnt reagieren „musst“.

      Liebe Grüße
      Michaela

  • Hallo Michaela,
    gerade die Sache mit dem Telefonieren kenne ich, aber schon immer oder meist aus der Sicht des Annehmens, was ist…….es wird Gründe geben für manches Verhalten anderer. Da muss i c h mir den Kopf nicht zerbrechen. Ob mir jemand die Vorfahrt nimmt und zu schnell ist. Vielleicht ist er in Eile aufgrund eines Notfalls. Oder zu langsam, vielleicht ist es ein Fahranfänger? Oft wurde mein gelassenes Denken als naiv abgetan..
    Gut, dass ich „richtig“ bin…😉

    • Hallo Andrea,
      wie schön, dass du dich in diesem Beitrag erkannt hast.
      Diese Gelassenheit wird gerne als naiv abgetan. Wenn es mir aber besser geht, wenn ich solche Situationen nicht persönlich nehme und ruhig bleiben kann – warum sollte ich mich dann aufregen. 😉
      Dann sollen mich andere eben naiv nennen.

      Danke, dass du das „richtig“ in Anführungszeichen gesetzt hast. Du bist richtig, weil du gar nicht falsch sein kannst. 💜
      Aber auch jede andere Einstellung ist weder richtig oder falsch.
      Wir können denken, was wir wollen und die Kraft der Gedanken quasi für oder gegen uns einsetzen. Das ist unsere freie Wahl.
      … und ich mag es lieber, mich nicht unnütz aufzuregen.

      Liebe Grüße
      Michaela

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