Die Vergangenheit loslassen

Vergangenheit.
Was ist das eigentlich?

Bei Wikipedia steht dazu:
Die Vergangenheit (Abk.: Verg., Vrg.) ist die Menge aller zeitlich zurückliegenden Ereignisse“

Wie kann uns unsere Vergangenheit heute noch belasten?

Wie kann mir etwas noch weh tun, das schon Tage, Wochen oder sogar Jahre her ist?

Wenn ich mir in den Finger geschnitten habe als ich 5 Jahre alt war, dann tut mir das ja heute auch nicht mehr weh.
Wenn es ein tiefer Schnitt war, dann erinnert mich vielleicht eine Narbe daran, aber es tut nicht mehr weh.

Was ist da mit unseren Emotionen anders?

Bis ich auf das Verständnis der 3 Prinzipien gestoßen bin, habe ich mir diese Frage gar nicht gestellt.

Es war normal, dass es Dinge in der Vergangenheit gibt, die mich auch heute noch belasten.

Das ist nun mal so.

Und es gibt eine Vielzahl von Methoden und Techniken, um an den Ereignissen der Vergangenheit zu arbeiten, damit sie an Kraft verlieren und mein heutiges Leben nicht mehr beeinflussen – oder zumindest nicht mehr so stark.

Das ist für mich jetzt nicht mehr stimmig.

Jede Emotion, die ich wahrnehme, hängt mit dem Gedanken zusammen, den ich denke.

Im Hier und Jetzt.
Immer.

Was bedeutet das jetzt für die Vergangenheit, die mich belastet?

Es ist nicht die Vergangenheit an sich, die mich belastet – unabhängig davon, was für schlimme Dinge mir auch passiert sein mögen.

Es sind meine Gedanken, die ich JETZT denke, die diese Gefühle in mir auslösen.

Wenn ich mich an schlimme Geschichten aus der Kindheit erinnere, dann lösen diese Gedanken daran im Hier und Jetzt Emotionen aus.

Würde ich diese Gedanken nicht denken, würde ich diese Gefühle nicht wahrnehmen.

Wie Sydney Banks in „The Missing Link *“ schreibt:
The past is no longer a reality, but a memory carried through time via our own thoughts.

Die Vergangenheit ist nicht länger eine Realität, sondern eine Erinnerung, die durch unsere eigenen Gedanken durch die Zeit getragen wird.

Wenn du mit Tools und Techniken gearbeitet hast, dann hattest du vielleicht auch schon mal das Gefühl, nie ein Ende zu finden.
Hinter jedem gelösten Thema verstecken sich mindestens zwei neue.

Oder dir ist aufgefallen, dass du dich schlechter fühlst, wenn du in der Vergangenheit wühlst und nach Ursachen suchst.
Nach Ursachen dafür, warum es dir heute nicht gut geht.

Vielleicht hat man dir erzählt:

  • Der Weg zur Heilung geht durch den Schmerz.
  • Man muss die alten Dinge noch einmal spüren, um sie loslassen zu können.
  • Wenn man sich die Vergangenheit nicht anschauen will, dann verdrängt man das, was dort verborgen ist. Das schwelt vor sich hin, bis es irgendwann zu brennen anfängt. Und da du das nicht möchtest, schaust du genauer hin.
  • ...

Vielleicht hattest du eine Ahnung, dass es nicht „der Weg“ sein kann.
Du kanntest aber keine Alternative und sehntest dich nach einer Änderung.
Danach, dich frei zu fühlen.
Befreit von der Vergangenheit.

Wenn es wirklich stimmt, dass die Gedanken, die wir jetzt denken, Gefühle auslösen, dann ergibt es Sinn, dass du dich bei dieser Suche nicht gut fühlst.

Je mehr du in die Vergangenheit schaust, desto mehr Gedanken hast du über diese Zeit. Je mehr Gedanken du darüber hast, desto mehr unerwünschte Gefühle bringen sie mit sich.

Mit dem Wunsch, diese Dinge loszulassen, tauchst du versehentlich bzw. unschuldig tiefer in die alten Geschichten ein und wirbelst immer mehr „alte Gedanken“ auf.

Das ist vermutlich das Gegenteil von dem, was du damit erreichen willst, aber solange du nicht weißt, woher die Gefühle kommen, wirst du so weitermachen.

Schau doch bitte in deinem Leben, ob das für dich stimmt.

Achte im Alltag darauf.
Wenn du traurig bist – gab es einen Gedanken davor, der dich traurig gestimmt hat?
Wenn du enttäuscht bist – welcher Gedanke war da?
Wenn du wütend bist – was hast du gerade gedacht?
Wenn du ängstlich bist – welchen Gedanken hast du gedacht?

Gedanken sind wirklich blitzschnell.

Oder sie können zumindest blitzschnell sein und sind wieder aus unserem Bewusstsein verschwunden, bevor wir sie entdecken.
Besonders die Gedanken, die wir oft denken.
Wir nehmen oft nur noch die „Gewohnheitsgefühle“ wahr und der „Gewohnheitsgedanke“ flutscht uns durch die Lappen.
Das bedeutet aber nicht, dass er nicht da war.

Ich habe es bei mir beobachtet und bei Traurigkeit konnte ich es besonders gut erkennen.

Vorher war es: ich schaue einen Film und werde plötzlich aus dem Nichts heraus traurig. Keine Ahnung, woher das kommt.

Dann habe ich immer öfter gemerkt: ich schaue einen Film, die Szene erinnert mich an etwas oder jemanden, dazu kommen mir Gedanken… (hach ja… das würde ich auch gerne, das kann ich nicht, das habe ich leider nicht erlebt, so hätte ich mir das auch gewünscht…) und dann werde ich traurig.

Das hat nichts mit dem Film oder mit der Vergangenheit zu tun, sondern NUR mit meinen Gedanken im Hier und Jetzt.

Die Vergangenheit existiert nicht mehr.
Sie kann mir nichts mehr anhaben.
Sie kann mir nicht wehtun oder mich verletzen.
Es sei denn, ich denke über sie nach.
Heute.
In diesem Moment.
Damit erwecke ich sie zum Leben.
Im Hier und Jetzt

Manch ein Gedanke oder manch eine Erinnerung fühlt sich vielleicht groß und mächtig an.

Wie ein Baum, der tiefe Wurzeln geschlagen hat.
Besonders, wenn du ihm/ihr immer und immer wieder nachgehangen hast.

Jedes Mal, wenn du dem Gedanken nachhingst und darauf eingegangen bist, hast du ihn damit genährt.
Du hast deinen ungeliebten Baum also selbst gegossen und mit Sonne & Nährstoffen versorgt – natürlich ohne es zu wissen.

Da dieser Baum nur leben kann, wenn du ihn hegst und pflegst, liegt es an dir, ob du das weiterhin tun möchtest.

Wenn du dich nicht mehr mit diesen Gedanken oder Erinnerungen beschäftigst und sie „einfach sein lässt“, wenn sie aufkommen, wird der Baum nach und nach an Kraft verlieren.
Und je tiefer du erkennst, dass DU hier der Baumpfleger bist, desto leichter fällt es dir, diesen Job aufzugeben.
Automagisch. 

In einem Podcast, den ich gerade gehört habe, wurde die Vergangenheit Gedankenfriedhof genannt.
Das Bild gefällt mir richtig gut.

Die Vergangenheit ist ein Gedankenfriedhof.

Je länger ich an einem „Grab“ (also einem Gedanken über die Vergangenheit) auf dem Gedankenfriedhof stehenbleibe, desto deutlicher nehme ich die Emotion in diesem Moment wahr.

Ich muss aber nicht stehenbleiben, sondern kann weitergehen.
Oder den Friedhof auch ganz verlassen.
Es ist meine Entscheidung.

Möchte ich diese alten Situationen immer und immer wieder durchleben?
Wenn ja, dann schlendere ich über den Gedankenfriedhof und schaue mich dort in Ruhe um.
Wenn nicht, dann lasse ich die Gedanken und somit die Gefühle los.
Der nächste Gedanke ist schon da.

Meine Vergangenheit kann mir nichts anhaben.

Nie wieder.

Und selbst, wenn es doch mal wieder so erscheint, als würde sie mich belasten, weiß ich tief in mir, dass es nur eine Illusion ist. 
Dass ich wieder auf dem Gedankenfriedhof spazieren gehe. 
Und es liegt an mir, ob ich dort weiter marschiere oder ihn verlasse.
Was für eine Erleichterung.

Wie ist das bei dir?
Bist du ein häufiger Besucher auf deinem Gedankenfriedhof?
Macht diese Sicht für dich Sinn oder siehst du das ganz anders?
Ich freue mich auf deinen Kommentar.

  • Danke Michaela für die Gedanken zu den Vergangenheitsgedanken.

    Das Bild mit dem Friedhof der Gedanken gefällt mir gut.

    Gerade fühle ich mich gefangen in meinen Gedanken , die mit der Vergangenheit zu tun haben. Schuldgefühle, nicht die richtigen Entscheidungen getroffen zu haben usw.

    Entsprechend beherrscht mich seit Wochen einen innere Unruhe, die ich nicht haben will.
    Meine Gedanken haben zunehmend aus einem Trampelpfad eine große Straße werden lassen…..falsche Neuronen Verknüpfung….

    Diesen Pfad will ich wieder verlassen, das geht wohl mit Nichtdenkenden und Loslassen….
    Ein schwieriges Unterfangen gerade…

    Liebe Grüße Andrea

    • Liebe Andrea,

      wenn es dir ähnlich geht wie mir, dann bist du es einfach gewohnt, dir Gedanken zu machen und glaubst, darin wichtige Informationen zu finden. Das Gute ist, dass sich die große Straße von selbst renaturiert, wenn du sie nicht mehr ständig befährst. Und alles, was du dafür „tun“ musst, ist dir bewusst zu werden: ich bin wieder auf der Straße, auf der ich gar nicht fahren möchte. Der Rest geschieht von selbst.

      Was wäre, wenn es nichts zu tun gäbe, um die innere Unruhe loszulassen?
      Wenn sie „einfach“ eine Emotion ist, die zum Leben dazu gehört?
      Und wenn sie sich von selbst legt, wenn man sie nicht groß beachtet?

      Vielleicht ist das Verlassen des Pfades gar nicht so schwierig, wie es für dich im Augenblick aussieht.
      Ein anderer Gedanke… und schon bist du auf einem anderen Pfad unterwegs.

      Ich hoffe es kommt nicht so rüber, als würde ich es immer so sehen können.
      Es gibt viele Gedanken, die für mich sehr wahr und echt erscheinen. Und wenn ich in meinen Geschichten stecke, dann leide ich dort oft – bis ich erkenne, dass sie nur eine Illusion sind und das Loslassen automagisch passiert.

      Liebe Grüße
      Michaela

  • Liebe Michaela, was für ein großartiger Beitrag. Die Bilder zu du dazu beschreibst, machen es so deutlich. Ja, es ist meine Entscheidung, ob ich auf dem Gedankenfriedhof bleibe, oder den Baum weiter gieße. Vielen Dank für diese Impulse und deine Erklärung.
    LG Sandra

  • Hallo liebe Michaela,

    vielen Dank für den interessanten Blockbeitrag. Ja, mir geht es auch so, ich habe viele Tools ausprobiert um mit meinen Gefühlen klar zu kommen, um nicht zu lange darin zu verweilen und um eigentlich innerlich glücklich zu sein. Ich bin den Weg mit den Tools irgendwie leid. Sie bringen nur mehr insbesondere den Gedanken "Ich mache das nicht gut genug" und die Gefühle von Frustration, Selbstunwirksamkeit und Resignation.
    Daher interessiert mich dein neuer Ansatz sehr.
    Mein unterschwelliges Gefühl zur Zeit ist Angst. Dahinter stecken die Gedanken: Ich habe etwas falsch gemacht. Ich werde krank. Allerdings habe ich keinen bewussten Bezug zur Vergangenheit dabei. Diese Gedanken könnten stimmen und es fühlt sich im Körper zur Zeit auch so an. Wie gehe ich dann damit um?
    Viele Grüße Birgit

    • Liebe Birgit,
      das ist auch meine Erfahrung, dass es kein „Ende“ gibt, wenn wir Tools nutzen, sondern immer etwas auftaucht, was wir verbessern könnten.

      Deine Frage lässt sich für mich schwer beantworten.
      Das Gute ist aber, dass du die Lösung kennst. In deiner inneren Schatzkiste ist auch die Antwort auf diese Frage.

      Meiner Erfahrung nach sind es oft „nur (unwichtige) Gedanken“, wenn sie mit einer großen Dringlichkeit oder einem „ich sollte“ verbunden sind.
      Andere Sachen „mache“ ich einfach, ohne sie zu hinterfragen.

      Bei mir gab es z.B. Beschwerden, da „wusste“ ich, dass ein Arztbesuch angesagt war und es hat sich auch als richtig herausgestellt.
      Es war klar. Natürlich gab es auch „muss das wirklich sein-Gedanken“, aber sie kamen mir nie ganz wahr vor.

      Kannst du mit der Beschreibung etwas anfangen?
      Wie fühlt es sich für dich an?

      Im Zweifel würde ich sagen: wenn du dir unsicher bist, dann lass dich lieber durchchecken, anstatt dir dauerhaft Sorgen zu machen.

      Liebe Grüße
      Michaela

  • Liebe Michaela, alles ganz toll und stimmig. Ich bin froh, dass ich Yoga und Meditation mache, um so meine Gedanken besser "einordnen" und loslassen zu koennen. Weiter so!! Dir wuensche ich alles Gute. Lb. Gruss Marianne Ute

  • Liebe Michaela,

    danke für den spannenden Artikel.
    Das Bild vom Gedankenfriedhof ist mir neu und kommt mir stimmig vor. Meine Gedanken fallen in die Kategorie "blitzschnell wieder weg". Offenbar handelt es sich hier um einen verborgenen Gedankenfriedhof. 🙂
    Die Idee hat mich neugierig gemacht, ich werde auf jeden Fall weiter – zukunftsgerichtet – darüber nachdenken.

    Vielen Dank und viele Grüße
    Alexandra

    • Liebe Alexandra,

      gerade Gedanken, die wir immer wieder denken, nehmen wir sehr oft nicht mehr bewusst wahr.
      Ich freue mich, dass du mit dem Bild etwas anfangen kannst.
      Was mir so gut gefällt ist, dass ich mir über den Inhalt der Gedanken keine Gedanken mehr zu machen brauche. 😊
      Das Erkennen, dass es Gedanken sind, reicht aus.
      Du brauchst also gar nicht überlegen, welche Gedankengräber du besuchst. Zu wissen, dass du einen Spaziergang auf dem Gedankenfriedhof unternommen hast, reicht aus. Es gibt nichts zu tun oder zu verändern. Die Veränderung geschieht automatisch mit dem nächsten Gedanken.

      Liebe Grüße
      Michaela

  • Liebe Michaela,

    meine Antwort aus heutigem Wissenstand auf diese Frage wäre wohl, weil die Quantenphysik immer klarer deutlich macht, dass es tatsächlich keine lineare Zeit gibt (nur ein menschliches Konstrukt, dass wir für die Verständigung brauchen), so dass Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft parallel existieren.

    Alles existiert gleichzeitg im Feld und da wir Teil des Feldes sind, existiert auch alles gleichzeitig in uns. Und mit alles sind nicht nur die Ereignisse, sondern unter anderem auch diejenigen Emotionen gemeint, die aufgrund hoher Intensitiät nicht einfach durchfließen konnten, sondern kontnuierlich das Schwingungsfeld, das wir sind, beeinflussen.

    Aus meiner Sicht, hat alles, was existiert auch einen Sinn, auch die Emotionen, durch die wir uns mies fühlen.
    Sie sind Wegweiser. Ohne sie könnten wir gar nicht wissen, welcher Teil unseres Körpers, oder auch welcher emotionale Anteil gerade unsere Hilfe braucht.
    Ich sehe Emotionen als etwas sehr Lebendiges an, das wie kleine Kinder herumtollen und sich bewegen will. 🙂 Hängt eine Emotion fest, dass macht sie sich deutlich bemerkbar, und bittet um Hilfe, um wieder frei zu kommen.

    Für mich ist deshalb eine sinnvolle Vorgehensweise meine mitfühlende Aufmerksamkeit auf die Emotion zu richten ohne sich mit ihr zu identifizieren (das ist der schwierige Teil, den ich immer wieder üben darf). Dadurch gebe ich der Emotion die Kraft wieder ins Fließen zu kommen und auf diese Weise mein System nicht mehr aus dem Gleichgewicht zu bringen.
    Beachte ich die Emotion nicht – so wie Du angeregt hast – dann schmeißt sie mich nur immer öfter aus der Balance.

    Wenn es bei Dir so funktioniert, dann sind Deine Emotionen vielleicht besser erzogen als meine. 🙂

    Das Thema ist wichtig und ich danke Dir, dass Du eine Auseinandersetzung damit anregst.

    Liebe Grüße
    Sabine

    • Liebe Sabine,

      danke für deine Antwort.
      Ich sehe es auch so, dass Zeit nur ein Konzept ist, das wir nutzen, um uns besser verständigen zu können.

      Emotionen sind für mich auch Wegweiser oder eher Hinweise.
      Allerdings sind sie für mich kein Zeichen, dass es etwas zu tun gibt oder dass ein Teil von mir Hilfe benötigt.
      Sie sind ein Hinweis, mit welchen Gedanken ich mich Hier und Jetzt beschäftige.
      Bin ich traurig, dann habe ich etwas gedacht, was mich traurig macht.
      Bin ich wütend, habe ich etwas gedacht, das mich wütend macht.
      Bin ich glücklich und zufrieden, habe ich etwas gedacht, was mich so fühlen lässt.

      Ich nehme jede Emotion wahr.

      Wenn ich allerdings eine Emotion spüre, die ich eigentlich lieber nicht länger als nötig wahrnehmen möchte, dann befasse ich mich weder näher mit der Emotion noch mit dem Gedanken, der sie mitgebracht hat. Je besser mir das gelingt, desto schneller ist die Emotion wieder weg.

      „Beachte ich die Emotion nicht – so wie Du angeregt hast –“ da haben wir uns falsch verstanden.
      Beachte die Gedanken nicht – trifft es besser. Sie ändern sie sowieso ständig und enthalten keine nützlichen Informationen. In einem Moment sagen sie Hü, im nächsten Hott.

      Emotionen lassen sich – meiner Meinung nach – nicht erziehen. Man kann sie vielleicht unterdrücken. Aber warum sollte man, wenn man weiß, dass sie sich ohne unser Zutun ständig ändern? 😉

      Kannst du damit etwas anfangen?

      Liebe Grüße
      Michaela

  • Hallo liebe Michaela.

    Was die 3P betrifft, bin ich noch ein absoluter Frischling. Durch Saskia bin ich auf die Buchlesung und Lea & Shailia gestoßen und durch die beiden auf Deinen Kongress. Nochmal Danke dafür. ♥

    Und ausgerechnet heute; am Todestag meiner Tochter; nachdem ich gerade vom echten Friedhof komme, lese ich hier vom Gedankenfriedhof. Und alles in mir ist erstmal auf Widerstand gepolt.
    „Was soll das denn heißen – soll ich jetzt nicht mehr an meine Tochter denken??? Ihr irdisches Leben ist ja nun mal Vergangenheit – und diese Gedanken verursachen halt auch oft Schmerz.“

    Was das Graben nach und das Durchfühlen „alter“ Gefühle betrifft, die man sich vielleicht in der Vergangenheit nicht immer zugestanden hat und die einem so lange das Leben schwer machen, bis man sie genug akzeptiert und durchfühlt hat, habe ich auch Erfahrung. Und habe das geglaubt.
    Und gedacht, ich habe es vielleicht noch nicht oft genug und/oder nicht richtig gemacht, weil so der richtig volle Erfolg noch ausbleibt.

    Da bekomme ich eine leise Ahnung, dass das Verständnis, die 3P der bessere Weg sein könnten. Wenn so eine Einsicht bei mir mal tief sinkt und nicht nur an der rationalen Oberfläche bleibt.
    Ganz vielleicht stellt sich dann auch ein anderes Gefühl, meine Tochter betreffend ein, von dem ich eine leise Ahnung bekomme, die ich aber noch nicht „greifen“ kann…

    Herzlichst
    Corinna

    • Liebe Corinna.
      danke fürs Teilen deiner sehr persönlichen Erfahrung.

      Deinen Widerstand – gerade an diesem Tag – kann ich total nachvollziehen.
      Und ich bin beeindruckt, dass du trotzdem eine Ahnung wahrgenommen hast, dass mehr gibt, als du gerade sehen kannst.

      Es geht NIE darum, etwas nicht mehr denken zu sollen oder zu dürfen.

      Das Verständnis macht uns klar, woher unsere Gefühle kommen. Und dass wir ihnen (oder den Umständen) nicht ausgeliefert sind.

      Du hast es so treffend beschrieben: das irdische Leben deiner Tochter ist beendet und wenn du darüber nachdenkst, tut es weh.
      Die 3 Prinzipien in Aktion.
      Wir fühlen unsere Gedanken.
      Wenn du an schöne Momente mit deiner Tochter denkst, spürst du vielleicht die Liebe oder Dankbarkeit für die schönen, gemeinsamen Augenblicke.
      Bei der Erinnerung an ihren Lieblingswitz musst du vielleicht lachen.

      Alles Gedanken an deine Tochter – ein total unterschiedliches Erleben.

      Dass es „an der Vergangenheit noch etwas zu bearbeiten gibt“ habe ich Jahrzehnte geglaubt. Und dachte auch, dass ich was falsch mache, weil es nach all der Arbeit daran immer noch weh tut.
      Jetzt kann ich erkennen, woher der Schmerz kommt.
      Und das macht einen großen Unterschied aus.
      Es gibt nichts zu bearbeiten.
      Alles, was ich fühle, ist okay.
      Und es hat immer mit dem Hier und Jetzt zu tun, denn es ist die Folge der Gedanken, die ich in diesem Moment denke.

      Nach dem, was ich von dir hier lese, ist das Verständnis schon viel tiefer „eingesunken“, als es für dich aussieht.

      Liebe Grüße
      Michaela

      • Liebe Michaela,

        Danke für Deine Antwort.

        Es ist so, dass, wenn ich z.B. an eine lustige Situation mit meiner Tochter denke, ich vielleicht kurz lache – dann aber auch gleich wieder traurig werde. Weil ihr Verlust unfassbar ist. Es ist einfach falsch. Sie ist mein Kind. Sie hätte mich beerdigen sollen, nicht andersherum. Also ist das Erleben beider Formen von Gedanken an sie, derzeit noch fast gleich.

        Einen „falschen“ Todestag zu begehen, ist für mich unvorstellbar. Dieses Datum ist so traumatisch besetzt…

        Ja – das sind alles Gedanken. Die dann Gefühle auslösen. Diese Gedanken sind an bestimmten Tagen noch mal mehr präsent.
        Und manchmal geschieht das „einfach so“ in Sekundenbruchteilen. Eine Erinnerung wird ausgelöst – durch ihren Namen in einem Film; jemanden, der genau so lacht/geht/etc. wie sie; es gibt 1000 und eine Möglichkeit – und sofort kommt der Kloß im Hals und/oder die Tränen.
        Ok – dazwischen liegt dann wohl noch der Gedanke, dass das jetzt ihr so ähnlich war und dass ich das bei ihr nie mehr erleben werde.

        Was ich im Moment tun kann, ist, die Traurigkeit und die Tränen zulassen und dabei versuchen, diese Gedanken nicht zu vertiefen. Dann hält es auch meist nicht so lange an und ich kann bald darauf auch wieder lachen.
        Dass diese „Gedankenblitze“ im Zusammenhang mit ihr gar keine Traurigkeit mehr auslösen; sondern nur noch dankbare Erinnerung und Lächeln – kann ich mir derzeit nicht vorstellen. Es wäre schön, wenn sich das ändern kann.

        Herzlichst
        Corinna

      • Liebe Corinna,
        diese schönen Momente sind oft nur kurz spürbar, weil dann sofort die „traurigen Gedanken“ wieder da sind und wir die Traurigkeit, Fassungslosigkeit usw. wahrnehmen.

        Den Todestag meines Bruders hatte ich mir richtig gemerkt, aber am 12. gedacht, es sei schon der 14.

        Ich kann mir vorstellen, dass es für dich ganz viele „Gelegenheiten“ der Erinnerung gibt, neben z.B. ihrem Namen in einem Film zu hören.

        Um den Namen in einem Film „erkennen“ zu können, müssen wir ihn denken – und schon folgt der nächste Gedanke.
        Das geschieht oft so schnell, dass uns die einzelnen Gedanken nicht bewusst ist. (was wohl auch generell gut ist – es sind einfach zu viele)

        Ich wünsche dir, dass es dir mehr und mehr gelingt, die Traurigkeit zuzulassen, ohne an ihr festzuhalten. Es liest sich so, als wäre das jetzt schon hin und wieder möglich.

        Egal, wie unvorstellbar etwas ist – das Potenzial zur Veränderung ist immer da. Wir können nichts aktiv tun, damit sich unsere Vorstellung ändert. Und dennoch kann es jederzeit geschehen.

        Ich wünsche dir weiterhin viel Kraft.

        Liebe Grüße
        Michaela

  • {"email":"Email address invalid","url":"Website address invalid","required":"Required field missing"}
    >