Bist du ein guter oder ein lausiger Zuhörer?

Bis ich die Drei Prinzipien kennenlernte, habe ich mir über das Zuhören wenig Gedanken gemacht.
Nicht darüber nachgedacht, was man darunter versteht.
Warum auch?
Es weiß doch jeder, was zuhören ist.
Oder etwa nicht?
Gibt es verschiedene Arten, zuzuhören? 

Zum ersten Mal „musste“ ich mich quasi damit befassen, als ich Sydney Banks in seinen Videos und Audios sagen hörte: don’t listen to my words.
Achte nicht auf meine Worte. 

Es hat eine Weile gedauert, bis ich eine Ahnung davon bekam, was er meinte.
Zuerst hat es mich total irritiert. 

Wenn jemand etwas erzählt und ich nicht auf seine Worte hören soll – worauf denn dann? 

Im Laufe der Zeit habe ich gemerkt, was er meint.
Das Gefühl.
Das, was wir „zwischen den Worten hören“, so wie wir auch etwas „zwischen den Zeilen lesen“ können.

Mich kann jemand anlächeln und mir sagen, dass er meine Idee toll findet und ich merke, dass er eigentlich das Gegenteil meint.
Obwohl ich es nicht in seinen Worten hören kann.

Kinder sind meist noch viel besser darin, es wahrzunehmen.
Daher macht es auch überhaupt keinen Sinn zu sagen, dass alles okay ist, wenn die Eltern sich gerade gestritten haben und „dicke Luft“ herrscht. (das führt eher dazu, dass die Kinder ihren Empfindungen nicht mehr trauen)

Diese „dicke Luft“ können wir wahrnehmen. 

Du kennst das sicher auch.

Bei Wikipedia steht u.a.
Zuhören bedeutet, dass zum rein körperlichen Vorgang des Hörens zusätzlich die Aufmerksamkeit auf das akustische Signal gerichtet wird. Neben der akustischen Botschaft würden aber auch visuelle Reize sowie Informationen über die Schallquelle und die soziale Situation verarbeitet.

Und dort werden wirklich verschiedene Arten des Zuhörens beschrieben..

Je mehr ich mich mit dem Thema zuhören beschäftigt habe, desto mehr habe ich festgestellt, dass ich generell kein wirklich guter Zuhörer war.

Hättest du mich vorher gefragt, hätte ich vermutlich das Gegenteil behauptet - bis auf die Momente, in denen mir bewusst war, dass ich nicht bei der Sache war und nur mit halbem Ohr hingehört habe.

Aber selbst dann, wenn ich wirklich zugehört habe und „ganz bei der Sache“ war, habe ich nicht zugehört.
Nicht wirklich.

Oft hatte ich mir vorher schon meine Meinung gebildet.

Oder ich hatte meine Antwort schon im Kopf, bevor die Frage richtig formuliert war.
Wusste vorher schon, was ich sagen wollte.
Ohne dass ich wusste, was die andere Person sagen wird.
Ich hatte eine Vorstellung davon, was sie sagen wird. Meine Vorstellung. Und aufgrund der hatte ich schon eine Antwort parat.
Ziemlich schräg, oder?!

Ich habe also gar nicht zugehört, um die Person zu verstehen.
Ihre Sicht der Dinge zu begreifen.
„Wirklich“ gehört, was sie mir sagen möchte.
Es ging mir mehr darum, meine (vorgefertigte) Antwort unterzubringen.
Autsch.

Natürlich kommt auch das beim Gegenüber an.
Zwischen den Worten.

Dabei ist es so wichtig, gehört zu werden.
Gesehen zu werden.

Und es ist auch kein Wunder, wenn wir Menschen uns oft nicht verstehen.
Oder dass Konflikte aufkommen.

Ich lade dich ein zu beobachten, wie du zuhörst.

Ob du wirklich zuhörst.
Mit dem Herzen.
Ob du offen bist.
Ob du schon Antworten parat hast, bevor der andere ausgeredet hat.
Ob du den anderen unterbrichst, um „deins“ loszuwerden.
Oder ob du bis zu Ende zuhörst.
Ohne Eile.

Mir ist bewusst geworden, dass ich ganz oft während der Klopf-Kongress Interviews richtig zugehört habe.

Ich war ganz bei der Sache.
War neugierig auf das, was die Referenten zu sagen hatten.
Stellte Fragen, die mich wirklich interessierten.
Und es war ganz leicht.
Ganz natürlich.
Die Interviews gingen dann oft in eine andere Richtung, als wir vorher dachten, aber es war okay.
Wir waren im Flow.
Die Zeit verging wie im Flug.

Irritiert hat mich, dass ich hinterher oft nicht mehr wusste, worüber wir gesprochen hatten.

Heute weiß ich, dass es ein Zeichen dafür ist, dass ich „im Hier und Jetzt“ war.
Dass ich im Gespräch war.
Dass ich zugehört habe.
Wirklich zugehört.
Und dass meine innere Weisheit gesprochen hat.

Dieses zuhören ist keine Technik.

Es ist das „normale“ zuhören.
Das natürliche zuhören.

Vielleicht kann man es damit vergleichen, Musik zu hören. 

Die meisten von uns konzentrieren sich dann nicht auf die einzelnen Noten.
Wir hören ein Lied.
Genießen es. Oder auch nicht.
Die Komposition aller Töne.
Das Gesamtbild.
Wir sezieren nicht den Text und die Melodie.
Denn sobald wir das tun, hören wir das Lied nicht mehr richtig.

Mich hat überrascht, was das für einen Unterschied ausmacht.

Bei einem Gespräch, dass gefühlte 100mal ähnlich gelaufen ist, wurde mir bewusst, dass ich eine vorgefertigte Meinung hatte.
Und eine Idee, was für die andere Person richtig wäre.

In diesem Moment konnte ich das alles loslassen und habe „richtig“ zugehört.
Und plötzlich hat sich etwas verändert.

Vorher hatte ich den Eindruck, wir drehen uns im Kreis und kommen keinen Schritt weiter.
Ich höre immer und immer wieder die gleiche Geschichte.
Jetzt öffneten sich plötzlich neue Türen.
Und es tauchten Lösungen auf, die vorher nicht da waren.
Es konnten Entscheidungen getroffen werden, was vorher nicht möglich war.
Fast magisch.

Und ich merke, wie sehr sich die Sessions verändert haben.

Früher ging es mir darum, in einer Sitzung möglichst viel zu „schaffen“ und zu „machen“. So viel wie möglich der Zeit mit Techniken zu arbeiten.
Zum Zuhören blieb da keine Zeit.

Ich wollte nur so viel hören, wie ich für die Arbeit mit den Techniken unbedingt wissen musste. Und während ich zuhörte, überlegte ich mir schon, wie ich das Thema angehen sollte.

Es versteht sich von selbst, dass ich ab dem Zeitpunkt nicht mehr richtig zuhören konnte, weil ich mit meinen Überlegungen beschäftigt war…
Nur war es mir nicht bewusst.

Mir war auch überhaupt nicht klar, welche Kraft im Zuhören liegt.

Welches Potential im „Nicht-wissen“ steckt. 

Jetzt höre ich zu, als würde ich Musik hören.
Ohne schon etwas zu wissen.
Ohne erahnen zu wollen, was jemand sagen könnte.
Ohne meine Gedanken zu beachten.
Ich bin präsent.
Im Moment.
Im Gefühl.
Im Nicht-wissen.

Das gelingt mir nicht immer.
Oder auf Dauer.
Ich falle wieder raus.
Immer aufs Neue.
Bemerke es.
Und komme wieder zurück.
Nach Hause.
In die Stille.
In die Präsenz.
Und höre zu.
Jenseits der Worte.

Und manchmal kommt der Impuls, etwas zu sagen.
Dann „passt“ es einfach.
Manchmal kommt nichts.
Dann genieße ich die Stille.

Es ist immer wieder schön zu erleben, wie Lösungen von selbst aufkommen.
Einfach durchs da sein.
Präsent sein.
Zuhören.

Christine Heath sagte in einem Meeting, dass wir anhand dieser Frage feststellen können, ob wir wirklich zugehört haben:
Hast du für dich etwas neu gesehen?  (über die Situation, die andere Person, …)

Wenn ja, dann hast du wirklich zugehört.
Wenn nicht, warst du vermutlich eher mit deinen eigenen Gedanken beschäftigt.

So lässt sich einfach reflektieren oder “überprüfen”, ob man zugehört hat.

Hast du etwas neu für dich gesehen?
Ich freue mich auf deinen Kommentar.

  • Liebe Michaela,

    was Du über Dein früheres Verhalten beim Zuhören beschreibst, kommt mir sehr bekannt vor.
    Ich erwische mich auch immer wieder dabei, dass ich bereits in Gedanken Antworten formuliere während die andere Person noch spricht.

    In unserer schnelllebigen Zeit haben wir alle verlernt, den Fokus längere Zeit auf etwas "ruhen" zu lassen,

    Ich merke, dass ich besser zuhören kann, wenn ich vorher meditiert habe. Dann ist mein Fokus viel stabiler. Vielleicht ist das ein Tipp zum Ausprobieren auch für andere.

    Dein Vergleich, Worten so zuzuhören als ob wir Musik hören würden, finde ich sehr schön und illustrativ. Danke dafür.

    Lieben Gruß
    Sabine

    • Liebe Sabine,

      ich glaube, das kennen wir fast alle, dass wir nicht „richtig“ zuhören. Das Gute ist, dass sich das jederzeit ändern kann. 😉
      Es ist toll, dass dir bewusst ist, dass du nach dem Meditieren besser bei der Sache bleiben kannst.
      Das kann für andere auch gut funktionieren.
      Dennoch möchte ich jeden Leser daran erinnern, dass er seine eigene Schatzkiste hat, in der auch die „Lösung“ zum Zuhören steckt. Oder der nächste Schritt, wie man dahin kommt. Vielleicht ist es Meditation, vielleicht ist es etwas ganz anderes.

      Ich weiß leider nicht mehr, wo ich den Vergleich mit der Musik gehört habe, aber er gefiel mir auch direkt.

      Ich bin gespannt, ob sich dein zuhören ändert und – wenn ja – ob es deinem Umfeld auffällt. Halt mich gerne auf dem Laufenden.

      Liebe Grüße
      Michaela

  • Hallo liebe Michaela,

    du machst eine tolle Arbeit! Man spürt richtig dein Bemühen(?!?!), oder soll ich sagen dein Bedürfnis, uns deine Erkenntnisse
    so plausibel wie möglich darzulegen. Das machst du genial und so ehrlich. Es begeistert mich und bringt mich weiter.
    Von Herzen danke dafür und ganz liebe Grüße,

    • Dankeschön, liebe Christa.
      Ich freue mich, dass sie dich weiterbringen. 😊
      Du hast das toll in Worte gefasst. Es ist wirklich eher ein Bedürfnis, meine Erkenntnisse zu teilen. Und oft sehe ich etwas noch tiefer, während ich es aufschreibe.

      Liebe Grüße
      Michaela

  • Ganz wunderbar beschrieben liebe Michaela!
    Und dein Text passt so schön zu dem Coaching, das ich heute Morgen mit einer Kundin hatte. Sie kam ganz von selbst zu der Erkenntnis, dass sie Anderen gar nicht wirklich zuhört, sondern in ihren Gedanken schon alles analysiert und zurecht legt.
    Und natürlich war ich selbst auch so. Und ich bin so dankbar dafür, dass ich heute wirklich zuhören. Es öffnen sich ganz andere Räume und dort liegt die wahre Essenz.

    Liebe Grüße
    Sandra

    • Liebe Sandra,

      ich bin auch sehr froh, gelernt zu haben, wie man richtig zuhört. Wobei es ja nicht wirklich ein „lernen“ ist, sondern eher ein „einfach zuhören“.
      Es ist so wertvoll, wenn man selbst die Erkenntnis hat. Und manchmal sieht man dann das, was andere schon x-Mal versucht haben, zu erzählen… aber es kommt erst dann richtig an, wenn man es selbst erkennt.
      Das mit den anderen Räumen hast du toll beschrieben. So empfinde ich das auch.
      Wunderbar, in solchen Momenten dabei zu sein. ❤

      Liebe Grüße
      Michaela

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