Eine Antwort auf die Frage nach dem: wer bin ich?

Fragst du dich manchmal, wer du bist?

Ehrlich gesagt habe ich mir diese Frage selten gestellt – in letzter Zeit wurde sie mir aber immer mal wieder gestellt.
Wie definiere ich mich?

Ich war selbst erstaunt, was ich in diesen Momenten geantwortet habe.

Für diesen Beitrag habe ich darüber reflektiert und mir wurde noch klarer, dass wir uns genauso als „etwas Festes“ sehen, wie viele andere Dinge:
der Sonnenuntergang, der Wind, der Mond, die Ebbe, die Flut, der Arbeitstag, der Montag, der Baum, der Wassertropfen – als ob das alles etwas Festes wäre, immer gleich.

  • Und in Wirklichkeit gleicht kein Montag dem anderen – zumindest, wenn wir genauer hinschauen.
  • Der Sonnenuntergang heute sieht anders aus als der von gestern oder von vor 2 Jahren.
  • Egal, wie gleich der Trott auch sein mag – trotzdem ist kein Arbeitstag wie der andere.
  • Wind verändert sich ständig – sowohl in der Intensität als auch in der Richtung, aus der er weht.
  • Der Mond verändert sogar für uns alle offensichtlich ständig die Form. Trotzdem ist es der Mond. In unserer Vorstellung etwas Festes. Klar definiert.
  • Ein Baum verliert vielleicht im Laufe des Tages Blätter, ist einen Millimeter gewachsen, wurde von einem Vogel angepickt, hat sich im Wind hin und her gewiegt… und unweigerlich verändert.
  • Jeder Wassertropfen hat eine andere Form und Größe.

So ist es mit uns selbst auch.

Es gibt kein Ich

Zumindest keins, das beständig ist.

Wenn ich abends ins Bett gehe bin ich nicht mehr die Person, die morgens aufgewacht ist. Ich habe mich verändert. Ich habe etwas erlebt. Ich habe Eindrücke gewonnen. Vielleicht Einsichten gehabt. Emotionen, die etwas in mir ausgelöst haben.

Selbst wenn ich abends im gleichen Gemütszustand ins Bett gehe, mit dem ich morgens aus dem Bett gefallen bin – ich bin nicht mehr die gleiche Person.

Das ginge gar nicht.
Das wäre entgegen der Natur.
Natur bedeutet Veränderung.

Und dann gibt es ja noch unsere Stimmungen

Wenn ich gut drauf bin, bin ich jemand anders, als wenn ich wütend bin oder Angst habe.

Oder wie es in der Werbung heißt: du bist nicht du, wenn du hungrig bist. Das trifft sicher für viele von uns zu.

Das Witzige ist, dass wir das selbst wissen.
Jeder von uns.

Dass wir oft als Erklärung oder Entschuldigung sagen: da war ich neben der Spur, weil ich __________ (wütend, sauer, eifersüchtig, ängstlich, besorgt, neidisch,…) war.

Ich verhalte mich anders, als ich mich „eigentlich“ verhalten würde.

Im Training neulich sprach Michael Neill darüber, was für ein Missverständnis vorherrscht, wenn wir davon sprechen, dass jemand „sein wahres Gesicht“ zeigt.

Weil es nämlich das komplette Gegenteil ist.

Dieses „wahre Gesicht“ ist nie etwas Positives.

Es zeigt die Person meist in Wut oder Ärger.
Mit einem Verhalten, das der Situation nicht angemessen ist.

Das, von dem wir umgangssprachlich sagen, es wäre das „wahre Gesicht“ ist in Wirklichkeit ein Moment, in dem wir Meilen weit weg von uns sind.
Von unserer wahren Natur.

Ein Augenblick, in dem wir unsere Gedanken ernst nehmen und handeln, wie wir „eigentlich“ nicht handeln würden.
In dem wir etwas sagen, was wir nicht wirklich so meinen oder unter anderen Umständen (mit weniger zusätzlichen Gedanken zu diesem Thema) nie gesagt hätten.

Wir zeigen dann nicht unser wahres Gesicht.

Wir sind „außer uns“.
Aus unserem Wohlgefühl.
Weg von HOME.
Gedankenverloren.

Und es braucht nur einen Gedanken, um wieder nach Hause zu kommen.

Um unser „wahres Ich“ zu zeigen.
Klar zu sehen.

Hast du dir schon mal Gedanken darüber gemacht, was dieses „eigentlich“ ist?

„Eigentlich“ sind wir ruhig, gelassen, zufrieden, liebevoll,…
Das ist unser „Grundzustand“.
Default würde man auf Englisch sagen.
Unsere Grundausstattung.
Unsere wahre Natur.
Das, was wir sind.
Unsere Essenz. 

Dann sind wir das, was ich gerne HOME oder Zuhause nenne.
Bei uns.
Ohne, dass das Ich da ist.
Wir sind einfach.
Verbunden.
Mit Allem.
Im Wohlsein.
Im Wohlgefühl. 

Das sind wir, aber dort sind wir nicht „Ich“.
Dort gibt es kein „Ich“.
Kein Getrenntsein.

Immer, wenn wir uns nicht so fühlen, sind wir „gedankenverloren“.

Wir denken uns dann von diesem Zustand weg.
Meist, ohne es zu wissen.
Oder zumindest, ohne es zu bemerken.

Und hadern mit der Welt, die wir mit unseren Gedanken erschaffen haben…

Und was ist mit unseren Werten?

Die machen uns doch aus.

Sie sind dir vielleicht wichtig, aber selbst deine Werte haben nicht immer die höchste Priorität.
Zumindest gehe ich davon aus, dass du schon mal entgegen deinen Werten gehandelt hast.

Wenn Ehrlichkeit dir wichtig ist, dann gibt es bestimmt Situationen, in denen du nicht die Wahrheit gesagt hast – aus welchen Gründen auch immer.

Wenn Pünktlichkeit für dich essenziell ist, dann bist du sicher auch schon mal zu spät gekommen, weil etwas Anderes dir in dem Moment wichtiger war.
 
Zählen Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft zu deinen Werten?
Du ahnst es schon… auch hier gibt es sicher Momente, in denen du weder freundlich noch hilfsbereit warst.

Du wirst deine Gründe dafür gehabt haben – wie jeder für sein Verhalten Gründe hat…

Also kannst du dich auch nicht über deine Werte definieren, denn sie sind nicht fix.

Selbst unsere äußere Form ist veränderlich.

Wir wachsen und werden vielleicht im Alter wieder kleiner.
Wir können 30kg an Gewicht zu- oder abnehmen.
Wir bekommen Falten, unsere Haut verändert sich, wir können uns in der Sonne bräunen, lange oder kurze Fingernägel und Haare haben… wir verändern uns ständig.
Unser Körper verändert sich ständig.
Nur ist uns das meist nicht bewusst.
Obwohl es direkt vor unseren Augen passiert.

Und trotzdem versuchen wir, dieses „ich“ in eine Form zu pressen.

Etwas Festes, Unveränderliches daraus zu machen.

In Gesprächen mit anderen gehen wir davon aus, dass jeder genau die Vorstellung von mir oder „meinem Ich“ hat, wie ich selbst.

Ich meine das Ich, das ich jetzt in diesem Moment wahrnehme. Was für mich – stand jetzt – Ich ausmacht.
Oder mein gutgelauntes Ich.

Mein Gegenüber denkt vielleicht an das Ich, das am 25.6. vor 3 Jahren etwas total Blödes oder Tolles gemacht hat.

Aber jeder von uns hat (s)ein Ich im Sinn.

Kein Wunder, dass wir oft aneinander vorbeireden, oder?

Wer bin ich?

Es gibt kein festes „Ich“.
Mit meinen Gedanken ändern sich meine Gefühle, meine Verhaltensweisen, meine Einstellungen,… und oft auch meine Weltsicht.
 
Jede Erkenntnis, jeder Gedanke hat das Potenzial, mein Leben auf den Kopf zu stellen und ein anderes „Ich“ in die Welt zu bringen.
Bin ich in einer anderen Stimmung, bin ich wer anders.
Bis sich die Stimmung wieder ändert.
Und wieder.
Und wieder.

Das Gute ist, dass ich damit auch alle Label, die ich mir angepappt habe (oder mir habe anpappen lassen), abnehmen kann.

Ich bin nicht introvertiert, schlau, ängstlich, extrovertiert, begeisterungsfähig, locker, fleißig, schüchtern, mutig, blöd, draufgängerisch, faul, neugierig, unmotiviert, verschlossen, ordentlich,…

Zumindest nicht auf Dauer.

Ich bin in Bewegung.
Ich bin Veränderung.
Ständig.
Es gibt kein festes Ich.
Nicht in der Form.

Und vor der Form sind wir alle eins.
Da gibt es kein Ich. 

Wenn kein Label für dich mehr stimmen würde, weil sie alle nicht beständig sind und sich laufend verändern – welche Freiheit würde das für dich bedeuten?

Was hast du aus diesem Beitrag mitgenommen?

  • Liebe Michaela, wie immer tolle Texte. "wer bin ich?" Als ich meine erste Erleuchtung hatte, wurde mir "gesagt", dass ich ein Teil von allem bin. Mir kamen nur noch die Traenen. Ich bin auch ein Teil von dem "Verbrecher"! Ich war so geschockt. Heute freue ich mich immer wiefer auf meine Erleuchtung beibder Meditation und kann mein Leben so annehmen wie es ist. Lieben Gruss Marianne

    • Liebe Marianne,
      das klingt nach einem lebensverändernden Erlebnis. 😊 Das Leben annehmen, wie es ist… toll.

      Das Wort „Oneness“ oder „Eins-sein“ hatte ich vorher schon oft gehört – aber nicht wirklich verstanden. Seit ich erkannt habe, dass die gleiche, formlose Energie uns alle lebt, habe ich eine Idee davon bekommen, was damit gemeint ist, dass wir alle Eins sind.

      Zum Verbrecher fällt mir noch ein, dass mir das Verständnis der Drei Prinzipien geholfen hat, die Unschuldigkeit in allen Handlungen zu sehen. Jeder handelt entsprechend den Gedanken, die für ihn im Moment wahr sind. Ein anderer Gedanke reicht, dass der „Verbrecher“ anders handelt.
      Daher ist es auch mein Wunsch, dieses Verständnis „in die Welt“ zu bringen.
      Wenn wir alle wissen, dass der Inhalt unserer Gedanken keinen Wert hat und wir ihn nicht ernst zu nehmen brauchen, handeln wir anders, weil wir nicht auf unsere Gedanken reagieren müssen. ❤💜

      Liebe Grüße
      Michaela

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