Du musst es nicht persönlich nehmen!
In diesem Verständnis sprechen wir immer wieder darüber, wie erleichternd es ist, Dinge nicht mehr persönlich zu nehmen.
Aber was genau ist damit gemeint?
Und wie schaffe ich es, Dinge nicht persönlich zu nehmen?
Darauf gehe ich in diesem Artikel ein.
Persönlich nehmen = Etwas geschieht im Außen und ich mache es zu „meinem“.

Würde man die Gedanken aufschreiben, dann käme in jedem Satz: ich, mich, mein usw. vor.
Diese Beispiele machen es vermutlich klarer.
Neulich habe ich unsere Katze dabei beobachtet, wie sie sich in die Dusche gesetzt und gepinkelt hat. 😮
Zumindest hat sie es versucht.
Als ich sie „erwischt“ habe, stand sie auf … und setze sich im Wohnzimmer in eine Ecke.
Den ganzen Tag über setzte sie sich immer irgendwo hin - außer in eins der Katzenklos - und hat ein paar Tropfen hinterlassen.
Ich habe es persönlich genommen.
War stinkig,
dass ich ihr hinterherputzen muss,
dass ich sie im Auge behalten muss,
dass ich dafür gar keine Zeit habe,
dass das natürlich an mir hängen bleibt,
dass sie mich ärgern will …
Irgendwann fiel mir auf, dass ich es persönlich nehme und sich die Gedanken nur um mich drehen.
Dann erst kam der Gedanke:
Warum macht sie das wohl?
Ob es ihr nicht gut geht?
(es stellte sich raus, dass sie eine Blasenentzündung hatte, die behandelt wurde - jetzt ist sie wieder fit)
Als ich in der „ich-Schleife“ war, hatte ich keinen Platz für Gedanken, dass sie einen Grund für ihr Verhalten haben könnte.
Es drehte sich alles um mich und wie „schlimm“ das für mich ist.
Als ich es nicht mehr persönlich genommen habe, war echtes Interesse für sie da. Neugier.
Mitgefühl.
Liebe.
Ein anderes Beispiel:
Ich hatte vor einigen Wochen - Monate im Voraus - eine Zugfahrt für 3 Personen inklusive Sitzplatzreservierung gebucht.
Eines Morgens hatte ich eine Email der Bahn im Postfach, dass der Zug für die Hinfahrt ausfällt und ich einen anderen aussuchen sollte.
Zwei Tage später kam die gleiche Email über die Rückfahrt. 🙈
Blöderweise gab es keine anderen Züge, die in unser gewähltes Zeitfenster passten.
Auf den Fahrkarten stand klipp und klar „keine Erstattung möglich“
Jetzt waren 3 Leute angefressen.
Eine Frechheit der Bahn, unsere Züge zu streichen.
Wir haben alles so gut geplant und nun ist es über den Haufen geworfen.
Sie wollen uns das Geld nicht zurückgeben.
Wir müssen sehen, was wir jetzt machen.
Kein Wunder, dass keiner Lust hat, mit der Bahn zu fahren.
Das eine ist: Der Zug fällt aus.
Das andere ist, was wir draus machen - nehmen wir es persönlich oder sehen wir es als „ist eben so“?
In diesem Fall habe ich es nicht persönlich genommen, sondern der Bahn ganz sachlich eine Email geschrieben (der Anruf bei der Hotline war nicht so erfolgreich), den Sachverhalt erklärt und eine Rückerstattung angefordert.
Ein paar Tage später haben wir unser Geld zurückbekommen.
Wenn ich in dem „persönlich nehmen“ bin, dann reagiere ich auch so.
Hätte ich aus dieser Haltung eine Email geschrieben, wäre sie sicher unfreundlich und vielleicht sogar anklagend gewesen.
Aus der „ist so-Klarheit“ heraus konnte ich sachlich bleiben.
Aber wenn mich jemand angeschnauzt …
DANN ist es was anderes.
Das KANN ich ja nur persönlich nehmen.
Ähm … nein. 😉
Persönlich nehmen ist immer optional.
Wenn mich jemand blöd anmacht oder zu mir sagt: du blöde Pu*§$#, dann gibt es verschiedene Arten, damit umzugehen.
Sobald ich es persönlich nehme, gehe ich auf den Inhalt ein.
Finde es eine Frechheit, sowas zu mir zu sagen,
Wer mich so nennt, ist selber XXX,
Damals, als er XXX, da war ich gut genug,
Warum behandeln mich Leute so?,
Ich bin wirklich XXX
In all den Sätzen/Gedanken geht es um mich. (=persönlich nehmen)

Habe ich Abstand zu dem, was diese Person zu mir sagt, dann weiß ich, dass es nichts mit mir zu tun hat, sondern nur etwas darüber aussagt, was in der Person gerade los ist.
Jemandem, dem es gut geht und der sich gut fühlt, verhält sich nicht so.
Niemals nie.
Wann immer sich also jemand unfreundlich, unfair, neben der Spur, … verhält, kann ich mir sicher sein: Es hat nichts mit mir zu tun, sondern mit dem Gedankensturm in seinem Kopf.
(Das bedeutet nicht, dass ich jedes Verhalten hinnehmen oder gut finden muss!)
Ist mir das bewusst, dann nehme ich es in der Situation nicht persönlich und muss nicht darauf anspringen oder reagieren.
Ich kann es - was auch immer gesagt wurde - einfach „verpuffen“ lassen.
Brauche nicht darauf zu reagieren.
Vielleicht drehe ich mich auch um und gehe - aber nicht beleidigt und schnippisch, sondern in dem Wissen, dass es gerade keinen Sinn macht, über etwas zu diskutieren.
Und hinterher, wenn die Person sich abgeregt hat, kann ich sagen, dass ich es nicht mag, wenn so mit mir gesprochen oder umgegangen wird - wenn sich das dann noch richtig oder wichtig anfühlt.
Noch ein Beispiel
Dieses Video von George und Linda Pransky fand ich so süß.
Linda sagt an einem Punkt sinngemäß:
Wenn du die Person, mit der du verheiratet bist, verstehst, erwartest du, dass sie sich auf eine bestimmte Weise verhält. Also bist du nicht enttäuscht und du reagierst nicht darauf.
Und George wiederholt, was Linda zu ihm gesagt hatte:
Wir sind jetzt seit 40 Jahren zusammen. Ich bin seit 40 Jahren sehr kritisch. Wie kommt es, dass du nicht merkst, dass ich kritisiere? Und wie kommt es, dass du es persönlich nimmst, wenn ich schon seit 40 Jahren so bin?
Quasi: Warum regst du dich immer noch darüber auf, dass ich so reagiere? Du kennst mich doch schon so lange und genauso lange reagiere ich schon so.
Was wäre, wenn es so einfach ist?
Wenn wir die „üblichen Reaktionen“ von manchen Menschen kennen und mit einem Schulterzucken (und vielleicht Augenrollen) hinnehmen könnten, ohne sie persönlich zu nehmen oder ein Fass aufzumachen?
So what?!
Wenn wir uns nicht mehr darüber aufregen und ärgern oder wütend oder eingeschnappt sein müssten?
Wenn wir stattdessen ruhig bleiben könnten?
Das wäre cool, oder?
Und das Gute ist, dass es wirklich geht.
Automagisch.
Wir müssen nicht mal etwa dafür tun.
Es „tut“ sich von alleine, indem uns bewusst wird, was los ist.
Wird mir bewusst: oh, es hat NICHTS mit mir zu tun, kann ich ruhig bleiben.
Ist für dich klar geworden, was mit „persönlich nehmen“ gemeint ist?
Hast du Beispiele entdeckt, in denen du etwas persönlich genommen hast?
Kennst du vielleicht sogar eine Ausnahme - etwas, das nichts mit „persönlich nehmen“ zu tun hat?
Ich freue mich auf deinen Kommentar.
Mega klare und verständliche Beispiele. Wenn ich mich aufrege bin ich in meinem Negativ-Ich. Habe mal in mich hinein gespürt. Es stimmt, wenn ich mich aufrege bin ich in meinem ganz persönlichen Universum unterwegs.🤔
Ja, genau.
Und das Coole ist, dass wir nichts „tun“ müssen. Dass es uns auffällt, ist schon „die Superpower„.
Freut mich, dass die Beispiele für dich klar sind. 😊
Liebe Grüße
Michaela
ich bin so richtig typisch deutsch…ich rege mich leider IMMER beim Autofahren auf. Selbst wenn ich 10min eher losfahre und eigentlich Zeit hätte und das lustige ist, der andere hört mich ja nicht mal, eigentlich sinnlos, doch ich mach es trotzdem, es ist bei mir ein starker AUTO-matismus^^ wer weiß vlt schaffe ich es irgendwann 😉 Danke für den Artikel.
😂😂Ja, ein „schöner“ AUTO-matismus.😉
Und selbst wenn du im Sommer das Fenster runtergekurbelt hast und der andere es hört – auch das ändert nichts. Und wenn er lacht, hat das vielleicht sogar den Methos-Cola Effekt. 😎
Was wäre, wenn er gar nicht stark ist, sondern „einfach eine Gewohnheit“? Das macht es (für mich) schon leichter veränderbar.
Danke für den Hinweis auf „typisch Deutsch“. Damit können wir uns auch sooo viele Geschichten erzählen und unser Verhalten begründen. Als würde es in unserer DNA liegen und wir können ja nicht anders und sind dem ausgeliefert. Dabei ertappe ich mich auch immer mal wieder.
Ich bin gespannt, ob sich für dich beim Autofahren etwas verändert – ganz Auto-matisch, ohne dass du was dafür tun musst. 😉
Liebe Grüße
Michaela