Bitte nicht den Boten umbringen!

"Tötet nicht den Boten“ – Das ist ein Zitat des antiken griechischen Dichters, Sophokles und es ist ungefähr 2.400 Jahre alt.

Vermutlich kennst du es auch.

Wenn du schon mal der Überbringer einer schlechten Nachricht warst, hast du dich vielleicht unwohl gefühlt und dir ging dieser Satz womöglich durch den Kopf.

Tötet nicht den Boten oder Überbringer.
Eigentlich logisch.
Der kann ja nichts dafür.
Hat nichts mit der Nachricht an sich zu tun.

Aber genau das ist es, was wir ständig machen.
Oder zumindest versuchen.

Wir sehen den Überbringer als Feind an, der eliminiert werden muss.

Nicht als Boten.
Ein Missverständnis.
Und damit machen wir uns das Leben schwer.
Auf soooo vielen Ebenen.

Lust auf ein Beispiel?

Du bist wütend und magst dieses Gefühl nicht. Es muss aufhören. Weggehen. Du spürst so viel Kraft darin und weißt nicht, wie du damit umgehen sollst. Das macht dir Angst. Es ist für dich unangenehm. Du willst es nicht haben. Es muss weg.

Das ist dein Fokus.
Weg mit dem Gefühl.
Oder „tötet den Boten“, denn das Gefühl will dir nichts Böses.

Es ist ein Bote.
Es lädt dich ein, dir bewusst(er) zu werden.
Zu erkennen, dass du gedanklich in eine Richtung unterwegs bist, die dir nicht gut tut.

Das nimmst du aber gar nicht wahr, weil du damit beschäftigt bist, es weghaben zu wollen.

Das Gefühl zeigt dir, dass du den Gedanken, die gerade in deinem Kopf aktiv sind, nicht glauben kannst.

Vielleicht hast du „mit wütendem Kopf“ schon mal etwas gesagt oder gemacht … und hinterher gedacht: oh shit! 🙈So habe ich das doch gar nicht gemeint!

Das nimmt unser Verstand gerne als Beweis dafür, dass es richtig ist, das Gefühl nicht haben zu wollen, denn auf solche Konsequenzen können wir gut verzichten.

💡Dabei ist ein „Beweis“ dafür, dass wir den Gedanken nicht glauben können, die wir in so einer (unangenehmen) Emotion haben.
Wir müssen sie weder aussprechen noch nach ihnen handeln.
Sie erscheinen uns nur in dieser Emotion eine gute Idee zu sein.

Sobald wir nicht mehr wütend sind, sind wir froh, wenn wir sie ignoriert haben.

Wenn uns also bewusst ist: oh, ich bin wütend und uns klar ist, dass wir dem, was bei uns im Kopf los ist, nicht glauben dürfen, entstehen weniger Situationen, für die wir uns hinterher entschuldigen wollen.
Einfach, weil wir den Wut-Impulsen nicht nachgeben.
Wir zerdeppern die Tasse gar nicht erst.
Wir ersparen uns (und anderen) den blöden Spruch oder fiesen Kommentar.
Wir müssen die Tür nicht knallen.

Auch, wenn uns diese Gedanken durch den Kopf gehen und sich wirklich nach guten Ideen anfühlen.
Wir wissen es besser.
Und lassen sie einfach da sein, ohne uns mit ihnen zu beschäftigen.

Für mich war (und ist) es ein Lernprozess und anfangs fühlte es sich an, als würde mein Körper schon automatisch auf den Impuls reagieren wollen.
Als würde er schon „zucken“ und loslegen wollen.
Als müsste ich mich zurückhalten.

Je mehr ich aber gemerkt habe, wie sinnvoll es ist, die Gedanken in solchen Situationen zu ignorieren, desto leichter wurde es.

Ich lade dich ein, einen Moment zu reflektieren:

Kann es wirklich sein, dass deine Emotionen ein Bote sind?
Wenn ja - was könnte die Botschaft sein?
Bitte nicht grübeln und unbedingt eine Antwort finden wollen!
Spür einfach hin, gib die Frage in den Raum und lausche, ob eine Antwort kommt.

Das Coole ist, dass wir die Emotionen nicht mal verändern oder bearbeiten müssen.
Sie tun es nämlich von ganz alleine.
Wenn wir sie nicht mehr festhalten.

Das gilt übrigens für alle „unangenehmen“ Emotionen und nicht nur für Wut.
Für die angenehmen auch, aber mit denen haben wir selten „Probleme“ oder beschweren uns, wenn wir sie spüren. 😉

Die Emotionen wegzumachen wäre, als würdest du im Auto die rote Öllampe rausdrehen, weil dich nervt, dass sie leuchtet.

Aber auch sie ist nur ein Überbringer des Hinweises: schau dir den Ölstand mal genauer an.
Und dahinter steht: wenn du das nicht machst, wirkt sich das auf deinen Motor aus.

Es ist dringend, daher ist es auch eine rote Lampe und nicht das Geräusch einer lachenden Hyäne.
Die Absicht ist, dich auf etwas aufmerksam zu machen, was dem Auto auf Dauer schadet.

Genau darum fühlen sich diese Gefühle auch so unangenehm für uns an.
Das ist Absicht unseres Systems.
Damit sie uns auffallen.
Damit wir sie nicht einfach übergehen.
Damit wir eingreifen können.

Weil wir uns keinen Gefallen damit tun, „länger als nötig“ in unangenehmen Gefühlen zu verbringen.
Dauerhafter Stress ist nicht gut für den Körper.

Blöd nur, dass wir sie missverstehen und weghaben wollen, ohne zu erkennen, dass es hilfreiche Nachrichten für uns sind.

Unser Körper

Unser Körper ist ein Wunderwerk und auch dort ist diese Funktion eingebaut. Wir haben eine Vielzahl von Boten, aber auch die deuten wir oft falsch.

Nehmen wir an, du hast Fieber.
Oft ist der erste Impuls, das Fieber „weghaben“ zu wollen und man versucht, das Fieber zu senken.
Dabei ist auch das Fieber nur ein Bote.
Es zeigt uns, dass in unserem Körper gerade auf Hochtouren gearbeitet wird und wir uns etwas Ruhe gönnen sollen, damit der Körper alle Kraft für die Heilung und Regeneration nutzen kann.

Wenn wir den Überbringer - also das Fieber - direkt bekämpfen (den Boten töten), dann beschäftigen wir uns quasi mit der Nachricht und übersehen die Ursache, auf die die Nachricht zeigen wollte.
Anstatt uns also etwas Ruhe zu gönnen, nehmen wir ein paar Tabletten, damit wir schnell wieder funktionstüchtig sind und normal weitermachen können.

Dummerweise ist uns nicht bewusst, dass wir damit in die körpereigene Heilung eingreifen und uns selbst im Weg stehen, indem wir dem Körper die nötige Ruhe verwehren und damit Prozesse stören, die zur Heilung beitragen, wenn wir das Fieber senken.
Das Fieber an sich war nicht das Problem, sondern der Bote und sogar Teil der Lösung.
Natürlich macht es Sinn, ab bestimmten Temperaturen / Werten einzugreifen, aber es ist fraglich, ob man sich immer sofort einmischen muss, sobald man erhöhte Temperatur oder etwas Fieber hat.

Ich lade dich noch einmal ein, zu reflektieren:

Was wäre, wenn jedes Symptom „nur“ ein Bote wäre?
Würde das deinen Umgang damit verändern?
Hättest du eine andere Sicht auf die Beschwerden?
Wäre es dann logisch, das Symptom wegzumachen?

Es gibt kein richtig oder falsch.

Was hast du aus diesem Beitrag für dich mitgenommen?
Welche Frage(n) hast du?
Ich freue mich auf deinen Kommentar

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