Warum mein 30. Geburtstag der schlimmste Geburtstag war
Fast jeder, mit dem ich über dieses Thema gesprochen habe, hatte „einen ganz besonders schlimmen Geburtstag“. Oft waren es runde Geburtstage.
Für mich war es der 30.
Zum einen vielleicht auch, weil bei uns viel Trara damit verbunden ist, wenn man mit 30 noch unverheiratet ist.
Die Mädels dürfen Klinken vom Rathaus putzen, Jungs die Rathaustreppen fegen und warten, bis sie von einem „Jungmann“ bzw. einer Jungfrau freigeküsst werden.
So oder so: man macht sich mächtig zum Affen und kommt fast nicht drum rum, den 30. groß zu feiern.
Was mir an der 30 so zu schaffen gemacht hat, war, dass ich mich im Vorfeld immer wieder daran erinnert habe:
Wie hast du dir dein Leben mit 30 vorgestellt, als du jünger warst?
Gedanklich habe ich immer wieder die Vorstellung durchgekaut, die ich mit 12 oder 13 davon hatte, wie ich mit 30 leben würde: Job, Mann, Kinder, Haus, Garten, Hund, …
Bei dem Vergleich habe ich echt schlecht abgeschnitten.
Job? Krankheitsbedingt konnte ich schon länger nicht mehr arbeiten
Mann? Ich habe einen Partner, aber verheiratet bin ich noch nicht
Kinder? Nö (tick tack tick tack) Bloß nicht so spät Mutter werden, wie meine Mutter mit mir...
Haus? Nö
Garten? Immerhin gehört zur Mietwohnung ne Terrasse
Hund? Leider nicht – aber immerhin eine Katze
Ich stellte mich in Frage.
Ich stellte mein Leben in Frage.
Ich haderte mit allem.
Mit alten Entscheidungen.
Mit „dem Universum“.
Für mich war der Geburtstag wirklich ein Drama.
Eine Midlife-Crisis.
Es gab nichts, was jemand mir sagen konnte, was es besser gemacht hätte.
Es tat mir weh, daran zu denken.
Je näher der Geburtstag rückte, desto schlechter fühle ich mich.
Je mehr ich darüber nachdachte, desto beschissener ging es mir.
Und desto schlimmer war der 30. Geburtstag, der anstand.
Ich hatte versagt.
Auf nahezu allen Ebenen!
Und das sollte ich auch noch „groß feiern“?
Ich hätte mich lieber in einem Erdloch verkrochen.
Was war hier wirklich los?
War es das Problem, dass ich nicht verheiratet war, weder Kinder, noch Hund, Haus und Garten hatte?
NEIN!
Das „Problem“ war, dass ich mir mit 29 Jahren und ein paar Monaten meine „Schablone“ - die ich als Teenie von meinem zukünftigen Leben gemalt habe – rausgekramt und mit der Wirklichkeit verglichen habe.
Und dass ich dachte, diese alte Schablone hätte einen Wert und würde etwas über mich und mein Leben aussagen.
Dabei war sie „nur“ die Fantasie eines Teenagers, wie die Zukunft auszusehen hätte.
Mir war das aber nicht klar.
Ich dachte, mein Leben müsste jetzt so aussehen, wie ich es mir damals vorgestellt hatte.
Und wenn das nicht so wäre, dann stimmt was nicht.
Mit mir.
Mit meinem Leben.
Dabei war mit meinem Leben gar nichts falsch.
Das 30-werden an sich war überhaupt kein Problem.
Meine Gedanken, wie es mit 30 hätte sein sollen, haben die 30 überhaupt erst zu einem Problem gemacht.
Hätte ich mir mit 13 ausgemalt, dass mein Leben mit 30 genau so aussehen würde, wie es war – was wäre das für eine tolle Party zum 30. Geburtstag geworden?!
Wie groß wäre die Vorfreude darauf gewesen.
Diejenigen, mit denen ich über dieses Thema gesprochen hatte und die kein Problem mit einem speziellen Geburtstag hatten, hatten einfach keine feste Vorstellung davon, wie ihr Leben in einem bestimmten Alter aussehen sollte.
Oder sie haben die Vorstellung nicht als wichtig angesehen.
Sie war ein: vielleicht lebe ich mit X Jahren so, vielleicht auch nicht. Lass es mich rausfinden.
Das war der Unterschied.
Der einzige Unterschied.
Meinen 30. Geburtstag habe ich dann „überstanden“.
Wobei es sich für mich eher wie ein „überleben“ angefühlt hat.
Es war kein schöner Tag, aber auch er ging zu Ende.
Der 40. Geburtstag machte mir dann übrigens überhaupt nichts aus. Darüber hatte ich mir auch keine Gedanken gemacht, wie mein Leben mit 40 aussehen könnte…
Wie ist das bei dir?
Denk bitte mal an etwas, das für dich gerade „ein Problem“ ist.
Ich lade dich ein, einfach mal die Frage zuzulassen:
Was wäre, wenn es gar kein Problem wäre?
Was wäre, wenn ich mir mit meiner Vorstellung, wie etwas zu sein hat, das Problem überhaupt erst erschaffe?
Es ist keine Frage, auf die du sofort eine Antwort haben „sollst“.
Eher im Gegenteil.
Es kann gut sein, dass dir sofort 1000 Dinge in den Sinn kommen, warum das totaler Quatsch ist.
Das ist okay.
Ich lade dich ein, diesen Gedanken einfach zuzulassen.
Ohne eine Antwort haben zu müssen.
Ohne etwas damit „tun“ zu müssen.
Darüber zu reflektieren.
Dir innerlich die Tür zu der Möglichkeit zu öffnen, dass etwas dran sein könnte.
Das ist alles.
Es gibt keine falsche Antwort!
Es gibt keine richtige Antwort.
Vielleicht erinnert dich meine Beschreibung auch direkt an eine Situation aus deinem Leben, die du jetzt in einem anderen Licht siehst.
Ich freue mich, deine Gedanken dazu im Kommentar zu lesen.
Sehr klug, deine Gedanken! In Wirklichkeit kann man das ja auch voll langweilig ansehen: Haus, Familie (zwei Kinder, Bub und Mädel, hihi), Garten, Hund…. Manch einer findet so eine Vorstellung ZUM KOTZEN! Ich weiß nicht, wer es gesagt hat, jedenfalls jemand Berühmterer als ich: Nicht die Tatsachen an sich sind unser Problem, sondern unsere Gedanken dazu! Genau so ist es! Ein Lebensgefärte ist ja doch viel cooler als ein Ehemann! Schön, dass du deinen Blickwinkel geändert hast!
Liebe Christine,
das stimmt… für viele Leute wäre diese Vorstellung die reinste Folter. Spießertum in Perfektion. ?
Inzwischen habe ich sowohl die Perspektive geändert, als auch den Lebensgefährten zum Ehemann gemacht. ?
Und mir sind die „Zahlen“ wurscht. Das ist echt ne Erleichterung.
Liebe Grüße
Michaela
Hallo Michaela,
ich hatte diese Gedanken als Teenager eher nicht, ich wusste, bzw glaubte zu wissen, dass da noch was Großes auf mich wartet, das Leben, wo ich etwas bewegen würde, privat und beruflich…..
Nun ja, die Geburtstage waren nicht das Problem für mich, nur das Gefühl, dass das Große gefühlt, irgendwie noch nicht für mich gekommen ist….nun bin ich 58…
Ich habe in der Zeit meines Lebens drei Kinder bekommen, ein schönes Holzhaus mit Leidenschaft gebaut, geheiratet, gearbeitet….
Nur zieht sich immer noch eine Unzufriedenheit wie ein roter Faden durch mein Leben, ein Nichtangekommensein. (Ähnlich deinem ersten Post, auch viel probiert und gelesen)
Vor zehn Jahren habe ich mich verliebt und mich von meinem Mann getrennt. Trotzdem bin ich nicht glücklicher geworden. Im Gegenteil, gerade sehr unglücklich sitze ich gefühlt vor einem Scherbenhaufen von Schuld (vor Allem meinen Kindern gegenüber), meine Berufung nicht gefunden zu haben, und dem Bewusstheit, eine falsche Entscheidung getroffen zu haben (sich zu trennen).
Ich habe beim Suchen vergessen, dass es gut ist, so wie es ist. Und das große Ganze immer in einem selbst ist, ständig und zu jeder Zeit….
Danke für deine Seite, das ist im Moment das Beste, was ich lesen mag in dieser turbulenten Zeit…
Hallo Andrea,
wie wäre es, wenn „das Leben“ für dich genau das vorgesehen hätte, was du erlebt hast?
Wenn du über deine Kinder, die Arbeit, das Holzhaus, die Leidenschaft und dein Sein genau das in die Welt gebracht hast, was die Welt brauchte?
Wenn das „das Große“ war – du es nur nicht als das erkennen konntest?
Inzwischen sehe ich es so, dass wir uns gar nicht falsch entscheiden können.
Wir treffen in jedem Augenblick die bestmögliche Entscheidung, die wir von unserem Bewusstseinsstand aus treffen können.
Rückblickend hätten wir vielleicht anders entschieden, aber dann sind wir auch in einer anderen Situation und stehen an einem anderem Punkt im Leben. Hätten wir diese „Daten“ zum Zeitpunkt der Entscheidung gehabt, wäre sie vielleicht auch anders ausgefallen.
Wie wäre es, wenn du dich jetzt daran erinnerst, dass alles gut ist, wie es ist?
Auch das Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben?
Liebe Grüße
Michaela
Liebe Michaela,
ich war ziemlich erstaunt, als ich deine Erfahrungen mit deinem 30.Geburtstag gelesen habe. Für mich ist es ein sehr persönliches Erlebnis, dass du da mit uns anderen teilst. Danke dafür! Und super toll, wie es dir heute damit geht!
Bei mir war es etwas anders. Ich habe die ersten 40 Geburtstage mit mir alleine „gefeiert“. Und als dann mal an einem Geburtstag einige Leute mit mir feiern wollten, verlief die Feier katastrophal, weil ich mich nicht zu verhalten wusste und meine Gedanken mir eine Wirklichkeit präsentierten, der ich besser nicht geglaubt hätte. Aber damals wusste ich es nicht anders. Heute weiß ich es „besser“. Die folgenden Geburtstage habe ich dann immer versucht zu ignorieren, was mir mal besser und mal schlechter gelang. Mal schauen, wie mein nächster Geburtstag verläuft.
Liebe Rike,
mir scheint, ich teile aktuell viele persönliche Erfahrungen.?
Schade, dass du deinen Geburtstag so lange alleine „feiern“ musstest.
Aber ich kann mir vorstellen, dass ich auch unsicher gewesen wäre, wenn ich ihn auf einmal mit anderen Leuten zusammen feiere. Vermutlich hätte ich viele Erwartungen gehabt… und es wäre in die Hose gegangen.
Ich bin gespannt, wie dein nächster Geburtstag wird und mit wem du ihn feierst.
Ich wünsche dir, dass es „einfach ein schöner Tag“ wird.
Liebe Grüße
Michaela
'Was wäre, wenn es gar kein Problem wäre?' Dann würde ich mir wahrscheinlich gedanklich den Vogel zeigen und zur Entspannung über mich selber lachen. So viel Zeit mit aller Energie etwas hinterher gelaufen, was gar nicht so da war… ja, und dann würde ich sofort beginnen, es als das zu sehen, was es ist und danach zu handeln ? .
Danke für deine Inspirationen!
? Astrid
Liebe Astrid,
der Teil mit dem lachen gefällt mir besonders gut ?, der mit dem Vogel zeigen kommt mir bekannt vor.
Mir hilft es dann, mich daran zu erinnern, dass ich dem nicht hinterhergelaufen wäre, wenn ich es nicht für den richtigen Weg gehalten hätte.
Wenn du Mühle mit der Anleitung von Halma spielt, dann könnte es auch holprig sein. ?
Ich bin gespannt, ob die Frage in dir „nachwirkt“.
Liebe Grüße
Michaela
Toll, liebe Michaela. Du bringst das Thema "Die Macht der Gedanken", aber auch das Thema "Dankbarkeit" anhand dieses nachvollziehbaren Beispiels voll auf den Punkt. Das regt mal wieder zum Nachdenken (und Umsetzen!) an. Und dazu, wertzuschätzen was man hat und nicht den Focus darauf zu legen, was man nicht hat. Vielen lieben Dank!
Liebe Stefanie,
wertschätzen, was ist, ist so wichtig.
Wir verlieren es so leicht aus den Augen, weil wir unseren Vorstellungen nachrennen, wie etwas zu sein hätte.
Ich freue mich, dass du etwas mitnehmen konntest. ?
Liebe Grüße
Michaela