"Schön, dass bei DIR immer alles in Ordnung ist. "
Wenn ich solche Sätze höre, weiß ich manchmal nicht, ob ich lachen oder weinen soll, denn bei mir ist nicht immer alles gut.
Oder anders ausgedrückt: Es laufen etliche Sachen anders, als ich mir das wünschen würde.
Bei mir und auch beim Menschen in meinem Umfeld.
Ich kann aber auch nachvollziehen, wie man zu einer solchen Schlussfolgerung kommt.
Woher die Idee stammt, als müsste alles super sein, wenn man sich nicht laufend mit den unerwünschten Dingen befasst und im Detail darüber austauscht.
Dabei teile ich nicht nur die positiven Dinge.
Ich mache zwar nach außen hin keine "Werbung" mit den Sachen, die bei mir gerade "schief laufen", aber ich verschweige sie auch nicht.
In Coachings, Gruppen oder auch im Podcast erzähle ich immer wieder von Dingen, die nicht gut gelaufen sind, von schrägen Geschichten, die mir passiert sind, wie ich damit umgegangen bin, von Herausforderungen und Problemen und dass es nicht immer lustig und einfach ist.
Zumindest im ersten Moment nicht.
Und manchmal auch im zweiten und im dritten Moment nicht.
Dann sitze ich zu Hause und bin auch erst einmal wütend und frustriert und traurig und enttäuscht.
Ich könnte Sachen durch die Gegend schmeißen, heulen, vergrabe mich in diesen Gedanken, hadere mit dem Leben.
Hätte das, was ist, gerne anders.
Aber dann höre ich auch wieder damit auf, weil ich einfach weiß, dass es mir nicht gut tut.
Im Gegenteil, je mehr ich mich damit beschäftige, desto schlechter geht es mir.
Es ist meine Wahl, mich nicht damit zu beschäftigen.
Es geht nicht darum, das nicht wahrhaben zu wollen oder die Realität zu leugnen oder irgendwas einfach nicht sehen zu wollen, sondern zu wissen: okay, da ist was, was mir gerade nicht gefällt, da ist was, was ich gerne anders hätte, aber was gibt es noch?
Wo liegt mein Fokus?
Worauf möchte ich mich konzentrieren?
Womit möchte ich mich beschäftigen?
Mit dem, woran ich eigentlich gar nicht denken will oder lieber mit dem, was auch noch da ist?
Trotz allem, auch wenn es vielleicht nicht immer spürbar ist.
Auch wenn der Schmerz manchmal größer und stärker scheint.
Mir hilft es zu wissen, dass das, was ich gerade wahrnehme, EINE Möglichkeit ist und dass es immer noch unzählige weitere Möglichkeiten gibt, auch wenn ich sie vielleicht gerade im Moment nicht sehen kann.
Auch wenn es aussieht, als wären sie Meilen weg oder auf einem anderen Planeten, aber auch da weiß ich, dass sich das ändern wird.
Dass ich irgendwann, wann auch immer dieses Irgendwann ist, eine andere Perspektive haben werde.
Dass ich es dann anders sehen werde.
Und das hilft mir, im Hier und Heute besser damit umzugehen.
Um noch mal auf die Eingangsaussage zurückzukommen: Nein, es geht mir nicht immer gut.
Und nein, in meinem Leben läuft nicht alles so, wie ich es mir wünschen würde.
Und auch das ist okay.
Das Leben geschieht.
Es ist okay, es anders haben zu wollen.
Es ist okay, dagegen zu kämpfen.
Es ist okay, mich scheiße zu fühlen.
Es ist okay, auch mal mit dem Fuß aufstampfen zu wollen.
Es ist okay, den Kopf in den Sand zu stecken.
Aber wenn mir bewusst wird, dass mir das überhaupt nicht hilft - sondern das Gegenteil bewirkt und nur dazu führt, dass ich mich länger schlecht fühle, dann kann ich es auch lassen.
Meinen Fokus ändern.
Wieder ins Hier und Jetzt zurückkommen.
In den Moment.
Und gucken: was ist noch da? Was sehe ich gerade nicht?
Vielleicht fühlt es sich manchmal an, als würde der Fokus automatisch zu dem gezogen werden, was ich gar nicht sehen und spüren und erleben will.
Ich kann mich immer wieder neu ausrichten.
Nach Hause kommen, in meine Mitte.
Und dann noch mal neu gucken: was ist noch da?
Und was ist noch da?
Und was ist noch da?
So ist es mit allen Dingen im Leben - mit denen, die super laufen und toll funktionieren und eben auch mit Sachen, die wir uns anders gewünscht hätten.
Mit der Wahl der Perspektive machen wir uns das Leben leichter oder schwerer - auch in unvorhersehbaren Situationen.
Wenn das Leben anders läuft, als wir uns anders wünschen würden.
Ein Beispiel:
Hier war es sehr stürmisch und der Wind hat unsere Stalltür aus den Angeln gerissen.
Es ist meine Wahl, wie ich damit umgehe.
Ich kann mich darüber aufregen, echauffieren, über das Wetter schimpfen, darüber meckern, dass wir diese Tür schon länger mal hätten reparieren oder erneuern sollen, ...
Es gibt tausend Möglichkeiten darauf zu gucken und wie ich das tue, entscheide ich. Bewusst oder unbewusst.
Jeden Moment neu.
Je nachdem, welche Entscheidung ich treffe, beeinflusst das, wie ich mich fühle.
Wenn ich mich darüber aufrege, werde ich mich nicht gut fühlen.
Wenn ich mir das angucke und denke: so ist es jetzt - wie kriegen wir es repariert? nehme ich es ganz anders wahr.
Die Situation ändert sich nicht, aber mein Gefühl dazu.
Ich kann bei uns in den Obsthof gucken, die vielen kleinen und großen Maulwurfshügel entdecken und mich aufregen, weil ich weiß, was es bedeutet, wenn ich den Rasen mähen muss. Dann muss ich vorher erst alle Hügel platttreten, bevor ich mit dem Rasenmäher drüberfahren kann und das ist einfach lästig.
Irgendwo habe ich mal aufgeschnappt, dass der Boden richtig gut sein soll, wenn Maulwürfe da sind. Wenn das so ist, dann haben wir wahrscheinlich einen richtig guten Boden hier, ist ja toll - auch ein möglicher Blickwinkel.
Ich kann es ganz neutral ansehen: Da ist eine Weide, da sind Maulwurfshügel.
Es liegt an mir, wie ich damit umgehe.
Wie ich darüber denke, hat Einfluss darauf, wie ich mich fühle.
Wenn ich über Sachen nachdenke, die ich mir anders wünsche, fühle ich mich schlecht.
Wenn ich gesundheitliche Baustellen habe und mein Körper in manchen Bereichen nicht so funktioniert, wie ich es mir wünschen würde, dann kann ich mich darüber aufregen, ärgern, ich kann über meinen Körper schimpfen … und all das bestimmt, wie ich mich fühle.
Und ich kann auch draufgucken: Okay, das ist das, was mein Körper gerade macht, wie kann ich besser damit umgehen? Was wäre jetzt gut? Was würde mir gut tun?
Und schon erlebe ich etwas ganz anderes.
Ich kann mich darüber aufregen, dass ich ohne Brille einfach nicht gut gucken kann, dass meine Augen schlecht sind, wie unfair das vom Leben ist, dass XY keine Brille braucht, dass ich es gerne anders hätte und wie blöd das ist. Wenn ich von draußen reinkomme, dann beschlägt die Brille und dann kann ich in der Zeit nichts sehen und brauche wieder ein Brillenputztuch … bla di bla di bla.
Ich kann mir irgendwelche Geschichten erzählen und darüber schimpfen, wie doof das ist.
Ich kann mich aber auch freuen, dass ich überhaupt was sehen kann.
Dankbar sein, dass ich eine Brille habe und wenn ich sie aufsetze, deutlich besser gucken kann.
Diese Wahl zwischen den Sichtweisen haben wir immer - unabhängig davon, ob das Leben uns gerade "Probleme" beschert oder nicht.
Und das zu wissen, macht einen großen Unterschied aus.
Genau das ist für mich auch das Geschenk dieses Verständnisses.
Es "funktioniert" nicht nur bei Sonnenschein und wenn alles gut läuft.
Es "funktioniert" immer.
24/7.
Unabhängig von allen Umständen.
"Wir" haben uns (gesellschaftlich) angewöhnt, uns über "Dramen" auszutauschen.
Und wenn jemand das nicht macht, schlussfolgern wir schnell: da muss ja alles rosig sein. (sonst würde er/sie ja drüber sprechen)
Was wäre, wenn es einfach eine Wahl ist?
Es geht nicht um richtig oder falsch, sondern um die Frage: wofür entscheidest du dich?
Siehst du während des Regens auch den Regenbogen, springst mit Freude in die Pfütze oder sehnst die Sonne her?
Was hast du aus diesem Beitrag mitgenommen?
Ich freue mich auf deinen Kommentar.
Hi Michaela,
d.h. es wäre sinnvoller sich über die Dinge zu freuen, die wir nicht gut finden. Ich wohn in einer schimmeligen Wohnung, finde keine neue aber ich sag dann: „hey ich hab ein Dach über den Kopf, in der 3ten Welt, haben das viele nicht“?
Oder ich werde gerade von Staat verklagt.. „man ich hab zwar dann kein Geld mehr zum leben aber immerhin lebe ich noch?“
Wie sollen wir dann jemals als Menschen weiterkommen, wenn wir „so denken und leben“, wenn wir uns keine Ziele setzen aus dem „Dreck, aus dem Dunkel“ rauskommen wollen? Du hast ja auch ein Haus & Hof, ist dir wahrscheinlich nicht zugefallen oder?
Beste Grüße, Steffi
Hallo Steffi,
ob es hilfreich ist, sich über eine schimmelige Wohnung zu freuen … vermutlich nicht. Und ich weiß nicht, inwieweit es einem wirklich gelingt. 😉
Mir zu sagen: die Wohnung ist super – wie eine Affirmation, die ich überhaupt nicht glaube, wird außer unerwünschten Gefühlen vermutlich nicht viel bringen.
Warum sollte ich das auch machen?
Es ist aber ein Unterschied, ob ich in der Wohnung bin und den ganzen Tag auf den Schimmel schaue, mich darüber aufrege, wie schlimm und gesundheitsschädlich das ist, was für ein $D/# der Vermieter ist, usw.
Das ändert an der Wohnung nichts – beschert mir aber miese Stimmung und viele Stresshormone.
Aus dieser Stimmung heraus sieht alles – mein ganzes Leben und nicht „nur“ die Wohnung – tendenziell mies aus. Gute und hilfreiche Ideen sind schwerer zu finden.
Ist mir bewusst, dass die Wohnung kein Gefühl in mir auslösen kann – weder das Penthouse, von dem ich träume, noch die schimmelige Wohnung, in der ich wohne – kann ich das Thema sachlicher angehen.
Mit einem klaren Kopf überlegen: was kann ich tun?
Ich werde eher Lösungen und kreative Ideen finden.
Wenn ich vom Staat verklagt werde, dann ist das erst einmal ein Fakt.
Und es gibt verschiedene Möglichkeiten, damit umzugehen.
Kann ich mich drüber aufregen? Klar!
Ist es hilfreich? Vermutlich nicht sonderlich.
Kann ich dabei auch gelassen bleiben? Generell schon. Ob mir das gelingt, hängt davon ab, wie ich darüber denke. Darauf habe ich Einfluss.
Vielleicht gehen die Gedanken automatisch in den „Mecker-Modus“. Wenn es mir bewusst wird, kann ich mich entscheiden: hilft mir das? Möchte ich mich so fühlen? Je nach Antwort entscheide ich, ob ich weiter im „Mecker-Modus“ bleiben möchte oder nicht.
Es gibt immer mehr Möglichkeiten, als ich in diesem Moment sehen kann.
Wir können uns Ziele setzen – warum auch nicht?
Aber mein „come from“ macht einen Unterschied aus.
Wenn ich neutral auf das schauen kann, was gerade ist, sehen meine Ziele vermutlich anders aus, als wenn ich gegen das Ist ankämpfe.
Meine Energie ist völlig anders. Und die nimmt mein Umfeld wahr.
Für mich ist dieses Verständnis gerade ein Weg, „als Menschen weiterzukommen“.
Dinge nicht so persönlich zu nehmen. Zu verstehen, wie unser Erleben geschieht. Andere Menschen und ihr Verhalten besser zu verstehen. Nicht Opfer der Umstände zu sein.
Das macht für mich sooo einen Unterschied aus.
Liebe Grüße
Michaela